Wie funktioniert eigentlich die Differenzbesteuerung?

Die „Differenzbesteuerung“ nach § 25a UStG ist eine umsatzsteuerrechtliche Sonderregelung. Sie ist für den Handel von – in der Regel – gebrauchten Gegenständen gedacht, die von Privatpersonen angekauft und wieder an Privatpersonen veräußert werden sollen. Die Sonderregelung kann unter Umständen auch auf Neuware angewendet werden. Was bei der Differenzbesteuerung zu beachten ist, für wen sie gedacht ist und wie sie funktioniert, erkläre ich dir in diesem Beitrag.

Sinn und Zweck der Differenzbesteuerung

Die Differenzbesteuerung ist auf bewegliche körperliche Gegenstände beschränkt.

Hauptanwendungsbereich sind der Gebrauchtwagenhandel, Verkäufe in Second-Hand-Läden oder der Handel hochwertiger Kunst-, Antiquitäten- oder anderer Sammlungsobjekte.

Ob die Differenzbesteuerung auch bei der „Ausschlachten von Gebrauchtfahrzeugen“ angewandt werden dürfe, beschäftigte in letzter Zeit Verwaltung und Rechtsprechung.

Der Verkauf erfolgt immer öfter über elektronische Marktplätze privater Plattformbetreiber und ist daher in vielerlei Hinsicht interessant.

Die umsatzsteuerrechtliche Sonderregelung „Differenzbesteuerung“ ist für den Handel von in der Regel gebrauchten Gegenständen gedacht, die von Privatpersonen angekauft und wieder an Privatpersonen veräußert werden sollen. Sie kann allerdings auch auf Neuware angewendet werden, sofern kein Recht auf Vorsteuerabzug besteht.

Die Differenzbesteuerung nach § 25a UStG soll Wettbewerbsverzerrungen beim Handel mit Gebrauchtgegenständen zwischen privaten Anbietern und Gebrauchtwarenhändlern beseitigen [1]. Denn bei der Veräußerung eines Gebrauchtgegenstands durch einen nichtunternehmerischen privaten Anbieter entsteht keine Umsatzsteuer. Ohne Existenz des § 25a UStG müsste dementgegen ein Gebrauchtwarenhändler beim Verkauf eines Gebrauchtgegenstands grundsätzlich das volle bei der Lieferung erzielte Entgelt versteuern. Insofern wäre der Gebrauchtwarenhändler verpflichtet, die Ware zu einem höheren Verkaufspreis als der private Anbieter zu veräußern, falls er denselben Gewinn wie ein privater Anbieter erzielen wollen würde. Ein Unternehmer kann jedoch in der Regel seine Ware nicht teurer anbieten als der Nichtunternehmer, wenn zu seinem angebotenen Produkt ein konkurrierender Privatmarkt existiert. Durch die Differenzbesteuerung wird der Wiederverkäufer im rechnerischen Belastungsergebnis nun so gestellt, als ob ihm beim Erwerb der Ware ein Vorsteuerabzug zugestanden hätte und er somit im Belastungsvergleich keinen Wettbewerbsnachteil zum privaten nichtunternehmerischen Anbieter von Gebrauchtwaren hat. [2]

Anwendung der Differenzbesteuerung

Bei der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG handelt es sich um eine Spezialregelung zur Bemessungsgrundlage gem. § 10 UStG.

Welche Voraussetzungen gelten für die Differenzbesteuerung?

Die Differenzbesteuerung (§ 25a UStG) ist anzuwenden, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Es handelt sich bei dem Ausgangsumsatz um eine im Inland steuerbare Lieferung i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG,
  • der Unternehmer ist Wiederverkäufer ist; hierbei handelt es sich um Unternehmer i. S. des § 2 UStG, welche im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit üblicherweise Gebrauchtgegenstände erwerben und sie danach im eigenen Namen weiterverkaufen. Auch derjenige, der diese Gegenstände im eigenen Namen öffentlich versteigert, gilt als Wiederverkäufer;
  • bei den Gebrauchtgegenständen i. S. des § 25a UStG handelt es sich um bewegliche körperliche gebrauchte Gegenstände;
  • die Gegenstände wurden an den Wiederverkäufer im Gemeinschaftsgebiet geliefert und
    • für diese Gegenstände wurde keine Umsatzsteuer geschuldet (=> Verkäufer ist KEIN Unternehmer) oder nicht erhoben (=> Verkäufer ist Kleinunternehmer i.S. § 19 UstG) oder
    • für diese Gegenstände wurde die Differenzbesteuerung vorgenommen.
  • Bei den Gebrauchtgegenständen handelt es sich nicht um Edelsteine oder Edelmetalle.

In folgenden Fällen kann die Differenzbesteuerung nicht in Anspruch genommen werden, weil es bereits andere Sonderregelungen gibt, die anzuwenden sind:

  • Wenn Gegenstände an den Wiederverkäufer steuerfrei im Rahmen einer innergemeinschaftlichen Lieferung geliefert wurden, gilt § 1a UStG.
  • Bei der innergemeinschaftlichen Lieferungen neuer Fahrzeuge ist § 1b UStG anzuwenden.

Der Wiederverkäufer trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der in § 25a Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 UStG normierten Voraussetzungen der Differenzbesteuerung in der Person seines Vorlieferanten [3].

Steuerbarer Lieferung ist Grundvoraussetzung für die Anwendung der Vorschrift

Vor der Prüfung des Anwendungsbereichs nach § 25a UStG müssen zuvor die Tatbestandsvoraussetzungen einer steuerbaren Lieferung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG erfüllt sein. Der Gegenstand muss im Rahmen einer entgeltlichen Lieferung für das Unternehmen erworben worden sein. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn der Wiederverkäufer Gegenstände aus dem Privatvermögen in das Unternehmen eingelegt oder im Rahmen einer unentgeltlichen Lieferung nach § 3 Abs. 1b Satz 1 UStG erworben hat.

Der Wiederverkäufer kann die Differenzbesteuerung auch bei der Veräußerung von Gegenständen des Anlagevermögens anwenden, wenn der Wiederverkauf des Gegenstands bei seinem Erwerb zumindest nachrangig beabsichtigt war und dieser Wiederverkauf aufgrund seiner Häufigkeit zur normalen Tätigkeit des Unternehmers gehört [4].

Identität des erworbenen und veräußerten Gegenstandes

Die Anwendung der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG setzt bei unionsrechtskonformer Auslegung die Identität des erworbenen und des veräußerten Gegenstands voraus. Der Gegenstand darf vor dem Wiederverkauf in seinem Wesen nicht verändert worden sein. Dagegen ist die Instandhaltung erworbener Waren vor dem Weiterverkauf unschädlich, soweit diese nicht zu einer Wesensänderung oder erheblichen Wertsteigerung führt.

Wird aus mehreren Einzelgegenständen, die jeweils die Voraussetzungen der Differenzbesteuerung erfüllen, ein einheitlicher Gegenstand hergestellt oder zusammengestellt, unterliegt die anschließende Lieferung dieses neuen Gegenstands nicht der Differenzbesteuerung [5].

Differenzbesteuerung bei Ausschlachtung erworbener Gebrauchtfahrzeuge

Gebrauchtfahrzeug oder Materiallager?

Aufgrund einer EuGH- und BFH-Entscheidung [6] wurde entschieden, dass die Differenzbesteuerung grundsätzlich auch dann anzuwenden ist, wenn ein Unternehmer Gegenstände liefert, die er seinerseits dadurch gewonnen hat, dass er zuvor von ihm erworbene Gebrauchtfahrzeuge ausgeschlachtet hat. Ein gänzlicher Ausschluss von der Differenzbesteuerung ist in diesen Fällen auch bei Nachweisschwierigkeiten nicht zulässig [7]. In diesem Fall sind nach Abschnitt 25a.1 Abs. 4 Sätze 5 und 6 UStAE die Einkaufspreise der ausgebauten und weiterverkauften Einzelteile im Wege der sachgerechten Schätzung zu ermitteln. Die Schätzungsgrundlage ist in einer Anlage zu den Wareneingangsrechnungen zu erläutern und – soweit vorhanden – durch ergänzende Unterlagen zu belegen [8].

Kein Wahlrecht für die Anwendung der Differenzbesteuerung

Sind die Tatbestandsvoraussetzungen für die Steuerbarkeit des Umsatzes und für die Differenzbesteuerung nach § 25a UStG erfüllt, so bemisst sich die Bemessungsgrundlage für die Umsatzbesteuerung lediglich nach der Marge zwischen dem Verkaufspreis und dem Einkaufspreis und nicht nach dem Gesamtentgelt i. S. des § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG. Der Wiederverkäufer wird somit so gestellt, als ob er einen Vorsteuerabzug in Anspruch genommen hätte [9].

Bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 25a UStG besteht ein genereller Anwendungszwang. Ein Verzicht auf die Differenzbesteuerung ist dem Wiederverkäufer jedoch bei jeder Lieferung möglich (Verzichtsoption, § 25a Abs. 8 UStG).

Wahlrecht nur bei bestimmten Gegenständen

Zur Differenzbesteuerung besteht unter bestimmten Voraussetzungen ein Optionsrecht (§ 25a Abs. 2 UStG). Im Falle der Optionsinanspruchnahme besteht dann für den Wiederverkäufer ein Vorsteuerabzugsverbot (§ 25a Abs. 5 Satz 3 UStG).

Der Wiederverkäufer kann spätestens bei Abgabe der ersten Voranmeldung eines Kalenderjahres gegenüber dem Finanzamt erklären, dass er die Differenzbesteuerung von Beginn dieses Kalenderjahres an auch auf folgende Gegenstände anwendet:

  1. Kunstgegenstände, Sammlungsstücke oder Antiquitäten, die er selbst eingeführt hat, oder
  2. Kunstgegenstände, wenn die Lieferung an ihn steuerpflichtig war und nicht von einem Wiederverkäufer ausgeführt wurde.

Die Erklärung bindet den Wiederverkäufer für mindestens zwei Kalenderjahre.

Bemessungsgrundlage bei Anwendung der Differenzbesteuerung

Hinsichtlich der Bemessungsgrundlage im Rahmen der Differenzbesteuerung besteht für den Wiederverkäufer ein Wahlrecht zwischen der Einzeldifferenz und der Gesamtdifferenz nach § 25a Abs. 3 UStG und § 25a Abs. 4 UStG. Besonderheiten gelten für verdeckte Preisnachlässe im Kfz-Handel (Anwendung bis 31.12.2021) [10].

Anwendungsbeschränkung auf allgemeinen Steuersatz

Für die Ermittlung des Umsatzsteuerbetrages gilt die Anwendungsbeschränkung auf den allgemeinen Steuersatz (§ 25a Abs. 5 Satz 1 UStG). Zu beachten ist, dass durch das zweite Corona-Steuerhilfegesetz [11] der allgemeine Umsatzsteuersatz von 19 % auf 16 % zeitweise vom 1.7.2020 bis 31.12.2020 herabgesetzt wurde (§ 12 Abs. 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 UStG). Für die Anwendung des temporär reduzierten Steuersatzes kommt es auf den Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes an. Bei Anwendung der Regelungen zur Gesamtmarge nach § 25a Abs. 4 UStG kann für diese Umsätze im Jahr 2020 der zum 31.12.2020 geltende Steuersatz von 16 % angewendet werden [12].

Steuerbefreiungsvorschriften nach § 4 UStG

Die Steuerbefreiungsvorschriften gem. § 4 UStG sind auch bei der Differenzbesteuerung zu prüfen. Jedoch besteht hierbei die Ausnahme, dass die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen keine Anwendung findet (§ 25a Abs. 5 Satz 2 UStG).

Kein Vorsteuerabzug bei Einfuhr

Ein Wiederverkäufer ist nicht berechtigt, die entstandene Einfuhrumsatzsteuer, die gesondert ausgewiesene Steuer oder die nach § 13b Abs. 5 UStG geschuldete Steuer (Reverse Charge Verfahren) für die an ihn ausgeführte Lieferung als Vorsteuer abzuziehen.

Kein gesonderter Ausweis der Steuer in einer Rechnung

Ein gesonderter Ausweis der Steuer in einer Rechnung ist gesetzlich untersagt (§ 14a Abs. 6 UStG).

Gesonderte Aufzeichnungsverpflichtungen

Nach § 22 UStG ist jeder Unternehmer verpflichtet, zur Feststellung der Steuer und der Bemessungsgrundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen. Neben diesen üblichen Aufzeichnungspflichten gelten nach § 25a Abs. 6 UStG bei der Anwendung der Differenzbesteuerung gesonderte Aufzeichnungsverpflichtungen. So müssen aus den Aufzeichnungen des Wiederverkäufers zu ersehen sein

  1. die Verkaufspreise oder die Werte nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG,
  2. die Einkaufspreise und
  3. die Bemessungsgrundlagen nach §§ 25a Abs. 3 und 4 UstG.

Wendet der Wiederverkäufer neben der Differenzbesteuerung die Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften an, hat er getrennte Aufzeichnungen zu führen.

Besondere Vorschriften für Umsätze in der Europäischen Union

Nach § 25a Abs. 7 UStG findet die Differenzbesteuerung keine Anwendung

  1. auf die Lieferungen eines Gegenstands, den der Wiederverkäufer innergemeinschaftlich erworben hat, wenn auf die Lieferung des Gegenstands an den Wiederverkäufer die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen im übrigen Gemeinschaftsgebiet angewendet worden ist,
  2. auf die innergemeinschaftliche Lieferung eines neuen Fahrzeugs im Sinne des § 1b Abs. 2 und 3.

Der innergemeinschaftliche Erwerb unterliegt nicht der Umsatzsteuer, wenn auf die Lieferung der Gegenstände an den Erwerber im Sinne des § 1a Abs. 1 die Differenzbesteuerung im übrigen Gemeinschaftsgebiet angewendet worden ist.

Auch die Anwendung des § 3c UStG (Ort der Lieferung beim Fernverkauf) und die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchstabe b, § 6a UStG) sind bei der Differenzbesteuerung ausgeschlossen.

Verzicht auf die Differenzbesteuerung

Der Wiederverkäufer kann bei jeder Lieferung auf die Differenzbesteuerung verzichten, soweit er nicht § 25a Abs. 4 UStG (Anwendung der Differenzbesteuerung nach der Gesamtdifferenz) nicht anwendet.

Bezieht sich der Verzicht auf die in § 25a Abs. 2 UStG bezeichneten Gegenstände (Kunstgegenstände, Sammlungsstücke, Antiquitäten), ist der Vorsteuerabzug frühestens in dem Voranmeldungszeitraum möglich, in dem die Steuer für die Lieferung entsteht. Es gelten dann also die üblichen Regelungen.


Dieser Beitrag über die umsatzsteuerliche Sonderregelung „Differenzbesteuerung nach § 25a UStG“ ergänzt unsere Reihe „Rechnung & Vorsteuerabzug I-V“, in der ich auf die absoluten Basics der Rechnungslegung eingehe.


[1] Vgl. EuGH, Urteil v. 8.12.2005 – Rs. C-280/04.

[2] Vgl. BFH, Urteil v. 23.4.2009 – V R 52/07, BStBl 2009 II S. 860.

[3] Vgl. FG Düsseldorf, Urteil v. 24.3.2021 – 5 K 1414/18 U NWB HAAAH-89459

[4] Vgl. BMF, Schreiben v. 11.10.2011 – IV D 2 – S 7421/07/10002, BStBl 2011 I S. 983 NWB JAAAD-93775 und Abschnitt 25a.1 Abs. 4 Satz 3 UStAE

[5] Vgl. Abschnitt 25a.1 Abs. 4 Satz 7 UStAE.

[6] EuGH, Urteil v. 18.1.2017 – Rs. C-471/15 „Sjelle Autogenbrug I/S“ NWB IAAAG-35143 und BFH, Urteil v. 23.2.2017 – V R 37/15, BStBl 2019 II S. 452 NWB FAAAG-49258

[7] Vgl. BMF, Schreiben v. 17.7.2019 – III C 2 – S 7421/19/10003 :001, BStBl 2019 I S. 835 NWB NAAAH-23914

[8] Vgl. auch Breer/Goy, Differenzbesteuerung beim Verkauf von Alt-Fahrzeugteilen, BBK 20/2017 S. 947 NWB CAAAG-59705

[9] Vgl. BFH, Urteil v. 29.6.2011 – XI R 15/10, BStBl 2011 II S. 839

[10] Zumindest nach Auffassung der Finanzverwaltung, so auch: Oelmaier in Sölch/Ringleb UStG, § 25a, Rn. 57; a.A. Stadie in Rau/Dürrwächter UStG, § 25a, Rn. 163

[11] Art. 3 des Zweiten Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise vom 29.6.2020, BGBl 2020 I S. 1512.

[12] BMF, Schreiben v. 4.11.2020, BStBl 2020 I S. 1129, dort: Rz. 17.