Welche Aufbewahrungspflichten gelten für wen?

Wann können Akten aufgelöst, Dokumente vernichtet und Archive endgültig gelöscht werden? Immer wieder bekommen wir diese Frage gestellt. Neben dem Bedürfnis „aufzuräumen“ sind die gesetzlichen Aufbewahrungspflichten und -fristen bedeutsam.

Gesetzliche Aufbewahrungspflichten betreffen vor allem Kaufleute

Die gesetzlichen Aufbewahrungspflichten und -fristen betreffen vor allem Kaufleute; also neben Einzelkaufleuten auch Personenhandelsgesellschaften und Kapitalgesellschaften, außerdem Genossenschaften und juristische Personen, sofern diese ein Handelsgewerbe betreiben. Sie treffen darüber hinaus alle nicht im Handelsregister eingetragenen land- und forstwirtschaftlichen Betriebe, sonstige Gewerbetreibende und Freiberufler.

Auch Privatpersonen haben Aufbewahrungspflichten zu beachten

Aber auch als Privatperson bist du gesetzlich nur verpflichtet, Handwerkerrechnungen im Original 2 Jahre lang aufzubewahren. Hieraus kann aber nicht geschlossen werden, dass du alle anderen Unterlagen wegwerfen darfst! – Denn, wenn du deine Ausgabe für diese Handwerkerleistung steuermindernd berücksichtigen willst, erwartet das Finanzamt von dir neben Vorlage der Original-Rechnung auch den Nachweis deiner unbaren Zahlung. Du bist also gesetzlich verpflichtet, neben der Rechnung auch den zugehörigen Kontoauszug mit der entsprechenden Überweisungsanweisung aufzuheben.

Hinweis: Die Aufbewahrungsfristen können sich jeweils verlängern, wenn die Unterlagen für steuerliche oder andere Belange von Bedeutung sind.

Entscheidend ist hierbei immer, ob die Festsetzungsfrist (Frist für die Festsetzung eines steuerlichen Anspruches) oder eine andere Anspruchsfrist (Frist für die Durchsetzung eines Anspruches aus einem Vertrag oder einem Gesetz) noch nicht abgelaufen ist.

Für ALLE gilt: Fristablauf UND Erlöschen aller Ansprüche abwarten!

Erst wenn beide Fristen abgelaufen und keine Ansprüche mehr aus dem zugrundeliegenden Steuerschuldverhältnis oder aus einem anderen Rechtsgrund abgeleitet werden können, ist es an der Zeit, Unterlagen wegzuwerfen oder ein Archiv endgültig zu löschen.

Nach den rechtlichen Grundlagen gehe ich im Folgenden darauf ein, welche Dokumente und Unterlagen warum, wie lange und in welcher Form aufbewahrt werden sollten und welche rechtlichen Grundlagen hierfür bestehen. Beginnen wir mit den rechtlichen Grundlagen.

Rechtliche Grundlagen

Die steuer- und handelsrechtlichen Aufbewahrungspflichten und -fristen ergeben sich aus § 147 AO und § 257 HGB. Hierbei wird zwischen Fristen von sechs und zehn Jahren unterschieden.

Unterlagen Frist steuerrechtliche Rechtsgrundlage (AO) handelsrechtliche Rechtsgrundlage (HGB) 
Bücher und Aufzeichnungen 10 Jahre § 147 Abs. 1 Nr. 1 § 257 Abs. 1 Nr. 1 
Inventare 10 Jahre § 147 Abs. 1 Nr. 1 § 257 Abs. 1 Nr. 1 
Jahresabschlüsse 10 Jahre § 147 Abs. 1 Nr. 1 § 257 Abs. 1 Nr. 1 
Eröffnungsbilanzen 10 Jahre § 147 Abs. 1 Nr. 1  
Lageberichte 10 Jahre § 147 Abs. 1 Nr. 1 § 257 Abs. 1 Nr. 1 
Konzernabschlüsse 10 Jahre  § 257 Abs. 1 Nr. 1 
Konzernlageberichte 10 Jahre  § 257 Abs. 1 Nr. 1 
zum Verständnis erforderliche Arbeitsanweisungen und sonstige Organisationsunterlagen 10 Jahre § 147 Abs. 1 Nr. 1 § 257 Abs. 1 Nr. 1 
Buchungsbelege 10 Jahre § 147 Abs. 1 Nr. 1 § 257 Abs. 1 Nr. 4 
empfangene Handels- oder Geschäftsbriefe 6 Jahre § 147 Abs. 1 Nr. 1 § 257 Abs. 1 Nr. 2 
abgesendete Handels- oder Geschäftsbriefe (Wiedergaben) 6 Jahre § 147 Abs. 1 Nr. 1 § 257 Abs. 1 Nr. 3 
sonstige für die Besteuerung bedeutende Unterlagen 6 Jahre § 147 Abs. 1 Nr. 1  
Quelle: ᐅ Aufbewahrungspflichten – Steuerlex im JuraForum.de

Geschäftsbücher, Inventare, Bilanzen sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen und Belege für Buchungen in den vom Kaufmann zu führenden Büchern sind zehn Jahre aufzubewahren.

Empfangene und abgesandte Handels- und Geschäftsbriefe und sonstige Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind, sind sechs Jahre aufzubewahren.

Als besondere steuerrechtliche Vorschrift ist auf die Aufbewahrungspflicht nach §14b UStG hinzuweisen, wonach Rechnungen, die im Zusammenhang mit Arbeiten oder Dienstleistungen an oder in einem oder im Zusammenhang mit einem Haus, einer Wohnung oder einem unbebauten Grundstück ausgestellt werden, von Privatpersonen (oder Unternehmern für ihren nichtunternehmerischen Bereich) zwei Jahre aufbewahrt werden müssen (§ 14b Abs. 1 S. 5 UStG).

Unternehmer im Sinne des UStG hingegen haben ein Doppel ihrer Rechnung zehn Jahre aufzubewahren; das gilt für eine Kopie jeder Rechnung, die er selbst oder ein Dritter in seinem Namen und für seine Rechnung ausgestellt hat, sowie für alle Rechnungen, die er erhalten oder die ein Leistungsempfänger oder ein Dritter in dessen Namen und für dessen Rechnung ausgestellt hat.

Privatpersonen müssen Belege und private Kontoauszüge, mit denen sie z. B. Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen belegen könnten, nach Vorstellung des Gesetzgebers grundsätzlich nicht aufbewahren.

Die Vorlage einzelner Belege ist nur noch nach Aufforderung des Finanzamtes erforderlich. Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens wurde ab dem Veranlagungszeitraum 2017 die bislang geltende Belegvorlagepflicht bis auf wenige Ausnahmen in eine Belegvorhaltepflicht geändert. Dies bedeutet, dass Steuerzahler mit der Steuererklärung des Jahres 2017 dem Finanzamt grundsätzlich nur noch dann Belege vorlegen müssen, wenn das Finanzamt dazu auffordert.

Eine Ausnahme gilt für Rechnungen, Zahlungsbelege oder andere beweiskräftige Unterlagen, die Privatpersonen (oder Unternehmer für den nichtunternehmerischen Bereich) im Zusammenhang mit Leistungen an einem Grundstück erhalten. Hier gilt eine zweijährige Aufbewahrungsfrist.

Eine weitere Ausnahme gilt für Steuerpflichtige, die aus Überschusseinkünften (z. B. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung) mehr als 500.000 € im Jahr erzielen. Auch sie müssen Unterlagen und Aufzeichnungen, die ihre Einnahmen und Werbungskosten belegen, sechs Jahre lang aufbewahren.

Beginn, Dauer und Ende der Aufbewahrungspflicht

Die Aufbewahrungsfrist beginnt jeweils mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die letzte Eintragung in Geschäftsbücher gemacht, das Inventar aufgestellt, die Bilanz festgestellt, ein Handels- und Geschäftsbrief empfangen oder abgesandt oder der Buchungsbeleg entstanden ist, die Aufzeichnungen vorgenommen oder die sonstigen Unterlagen entstanden sind.

Bei Verträgen (z.B. Mietverträgen) beginnt die Aufbewahrungspflicht mit dem Ende des Jahres, in dem der Vertrag endet. Entsprechendes gilt für einseitige Willenserklärungen.

Die Aufbewahrungsfrist dauert eine gesetzlich definierte oder persönlich bestimmte Zeit an und endet in der Regel mit Ablauf des Kalenderjahres, das sich aus Beginn und Dauer der Frist errechnen lässt.

Exkurs: Verjährungsfrist von Rechnungen

Für Kaufleute gelten mittlerweile die gleichen Verjährungsfristen wie für Privatpersonen[1]; die regelmäßige Verjährungsfrist für Rechnungen beträgt drei Jahre. Jeweils zum Jahresende solltest du daher genau prüfen, ob noch Forderungen offen sind, deren Verjährung droht.

Ist eine Forderung verjährt, bedeutet dies aber nicht, dass sie nicht mehr existiert. Denn die Verjährung des Anspruchs führt nicht zum Erlöschen der Forderung, sondern nur dazu, dass der Schuldner berechtigt ist, die Leistung zu verweigern.

Die regelmäßige Verjährungsfrist, die auch für Rechnungen gilt, beträgt gem. § 195 BGB drei Jahre. Andere Verjährungsfristen sind beispielsweise für die Verjährung von Mängelansprüchen beim Kaufvertrag zu beachten, s. § 438 Abs. 1 BGB.

Eine dreißigjährige Frist gilt für die Verjährung nur unter bestimmten Voraussetzungen. Einer der wichtigsten Fälle ist dabei der des rechtskräftig festgestellten Anspruchs, s. § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Wer also einen Titel in den Händen hält, kann sich länger Zeit lassen.   

Zu beachten ist neben der Frist allerdings auch der Fristlauf. Dieser beginnt nicht etwa direkt mit dem Entstehen des Anspruchs, sondern erst mit dem Ende des Jahres, in dem die Forderung entstanden ist, s. § 199 Abs. 1 BGB.

Wusste der Gläubiger zunächst einmal nicht, dass ihm ein Anspruch zusteht, beginnt die Frist erst zu laufen, wenn er die anspruchsbegründenden Umstände und den Schuldner kennt oder zumindest kennen müsste, s. § 199 Abs. 2 BGB. Ansonsten hätte ein Gläubiger oft keine Chance mehr, einen gerechtfertigten Anspruch durchzusetzen.


[1] Verjährungsfristen bei Rechnungen unter Kaufleuten – Informatives (helpster.de) [zitiert am 22.04.2022]

Aufbewahrung nach Fristablauf

Nach Ablauf der Fristen brauchen Unterlagen nur noch aufbewahrt zu werden, wenn sie für eine begonnene Außenprüfung, für eine vorläufige Steuerfestsetzung, für anhängige steuerstraf- oder bußgeldrechtliche Ermittlungen, für ein schwebendes oder aufgrund einer Außenprüfung zu erwartendes Rechtsbehelfsverfahren oder zur Begründung von Anträgen des Steuerpflichtigen bedeutsam sind. Generell gilt:

Solange Ansprüche aus einem Steuerschuldverhältnis oder einem anderen vertraglichen oder gesetzlichen Anspruchsgrund nicht erfüllt sind, musst du bitte immer darauf achten, dass du deine Ansprüche oder auch das Erlöschen eines Anspruches durch Vorlage geeigneter Dokumente auch nachweisen kannst.

Sobald die gesetzlichen Aufbewahrungsfristen überschritten sind und niemand mehr Ansprüche geltend gemacht werden kann, ist es erst an der Zeit, Dokumente wegzuwerfen und (digitale) Archive auf- bzw. auszuräumen.

Erleichterung: Wiedergabe auf Bildträger oder anderem Datenträger

Nach § 257 Abs. 3 HGB können alle Unterlagen mit Ausnahme der Eröffnungsbilanzen, Jahresabschlüsse und Konzernabschlüsse auch als Wiedergabe auf einem Bildträger oder anderen Datenträgen aufbewahrt werden, wenn dies den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung entspricht und sowohl die Übereinstimmung der Daten mit den Unterlagen als auch ihre Verfügbarkeit während der Dauer der Aufbewahrungsfrist gewährleistet ist.

Eröffnungsbilanzen, Jahresabschlüsse und Konzernabschlüsse und Zollbelege (nach Artikel 15 Absatz 1 und Artikel 163 des Zollkodex der Union) müssen im Original aufbewahrt werden.

Bitte beachte, dass Belege auf Thermopapier nach einiger Zeit verblassen können. Hier empfehle ich dir, diese für den Fall einer Prüfung durch die (Finanz)Behörde zu kopieren und zusammen mit dem Originalbeleg aufzubewahren oder aber einzuscannen und als elektronischen Beleg an die Buchung zu heften.

Mikroverfilmte Unterlagen müssen richtig und vollständig den Inhalt wiedergeben; eine spätere Änderung der Aufnahmen muss ausgeschlossen sein. Die Rückvergrößerung muss auf Verlangen in angemessener Frist und lesbarer Größe möglich sein.

Wichtig zu wissen: Finanzverwaltung hat Datenzugriff

Die Finanzbehörde hat unter bestimmten Voraussetzungen das Recht, mit Hilfe eines DV-Systems erstellte und aufbewahrungspflichtige Unterlagen durch Datenzugriff zu prüfen und im Rahmen einer Volltextsuche elektronische Dokumente zu recherchieren und diese – je nach Datentyp – maschinell auszuwerten.

Das Recht auf Datenzugriff steht der Finanzbehörde zwar nur im Rahmen der gesetzlichen Regelungen zu (z.B. in einer Außenprüfung oder einer so genannten Nachschau), dieses Recht ist aber nicht beschränkt auf Selbständige und Unternehmer, sondern kann auch bei Nichtunternehmern (=> Privatpersonen) zur Anwendung kommen, wenn Umfang und Komplexität des Einzelfalls dieses Vorgehen rechtfertigen.

Weitere Aufbewahrungsfristen

Neben den handels- und steuerrechtlichen Vorschriften des Handelsgesetzbuches und der Abgabenordnung schreiben zahlreiche Einzelgesetze und Verordnungen besondere Aufbewahrungsfristen vor.

Außerdem verpflichtet die Abgabenordnung alle Gewerbetreibenden ab Überschreiten bestimmter Umsatz- bzw. Gewinngrenzen zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen. Die Umsatzgrenze liegt nach § 141 AO bei 600.000 €, die Gewinngrenze bei 60.000 €.

Für Lieferscheine gilt ab dem 1.1.2017: Ihre Aufbewahrungsfrist endet mit Erhalt / Versandt der Rechnung, soweit es sich bei den Lieferscheinen nicht um Buchungsbelege handelt.

Dies gilt für alle Lieferscheine, die keine Buchungsbelege sind und deren Aufbewahrungsfrist am 31.12.2016 nach der vormals geltenden Frist von 6 Jahren noch nicht abgelaufen ist. Die Regelung betrifft somit auch Altfälle von bisher bereits archivierten Lieferscheinen.

Wenn sich auf dem Lieferschein jedoch wichtige Hinweise auf die gelieferten Produkte (z.B. Chargennummern) befinden, die nicht auf den Rechnungen wiedergegeben sind, empfehlen wir die Lieferscheine ebenfalls aufzuheben.

Auch Privatpersonen haben seit dem 31.7.2004 eine zweijährige Aufbewahrungspflicht zu beachten. Sie bezieht sich auf Rechnungen, Zahlungsbelege oder andere beweiskräftige Unterlagen, die Privatpersonen im Zusammenhang mit Leistungen an einem Grundstück erhalten haben.

Zu den Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück gehören u. a. sämtliche Bauleistungen, planerische Leistungen, die Bauüberwachung, Renovierungsarbeiten, das Anlegen von Bepflanzungen, Gerüstbau.

Hinweispflicht: Auf diese Aufbewahrungspflicht der Privatperson hat der Unternehmer nach dem Umsatzsteuergesetz in der Rechnung hinzuweisen.

Verantwortlichkeit für eine ordnungsgemäße Aufbewahrung

Für die ordnungsmäßige Aufbewahrung ist übrigens stets der Buchführungs- und Aufzeichnungspflichtige verantwortlich. Dies gilt auch dann, wenn die Buchführung oder die sonstigen Aufzeichnungen durch Dritte erfolgt.

Im Ergebnis bedeutet das also, dass du und nur du für die Aufbewahrung deiner Unterlagen verantwortlich bist und so lange bleibst, wie du auf die Dokumente und Belege zugreifen können willst oder musst, weil du

  • hierzu vom Gesetzgeber oder vertraglich verpflichtet bist oder
  • einen Nachweis deiner Qualifikation, Sachkunde oder eine Berechtigung erbringen oder
  • eigene Ansprüche durchsetzen bzw. fremde abwehren können willst.

Dieser Beitrag ist der erste einer Mini-Serie zum Thema Ablage und Dokumentenmanagement. In dieser zeige ich, auf welche sieben Kriterien es beim Umstieg auf eine papierlose Ablage ankommt, welche Vor- und Nachteile eine papierlose Ablage hat und wie deine Ablage mühelos und wann digital gelingt.