Scheinselbständigkeit in Gesundheitsberufen
Bei jeder Neuaufnahme eines selbständigen Mandanten ernten wir verwunderte Blicke, wenn wir seinen sozialversicherungsrechtlichen Status prüfen: Das hätte ja noch nie jemand von ihm wissen wollen … ?! Stimmt auffallend! Denn die Frage nach der Scheinselbständigkeit ist nicht nur unbeliebt, sondern offenbar bei vielen Arbeitgebern und deren Beratern gänzlich unbekannt.
Scheinselbständigkeit: Verzicht auf soziale Absicherung!
Obwohl die wirtschaftlichen Folgen für die betroffenen Scheinselbständigen gravierend sein können: So schützt auch der gute Glaube den jahrzehntelang freiwillig in die Rentenversicherung einzahlenden Selbständigen nicht, wenn die gesetzliche Rentenversicherung diesem kurz vor Ende des aktiven Erwerbslebens eröffnet, dass er jahrzehntelang seine Beiträge umsonst eingezahlt hätte. Er wäre grundsätzlich nicht rentenversicherungpflichtig! Die ohne Rechtsgrund eingezahlten Beiträge der letzten 5 Jahre würde er selbstverständlich zurückgezahlt bekommen, der Rest wäre aber verjährt und ein Rentenanspruch durch freiwillige Zahlungen niemals entstanden.
Auf der anderen Seite verzichten Scheinselbständige oft ohne Not durch das unterlassene Anrufen der Clearingstelle auf eine soziale Absicherung durch ihren Auftraggeber. Außerdem verzichten sie auf sozialstaatliche Ansprüche, wenn sie sich auf eine Scheinselbständigkeit einlassen anstelle sich beim Arbeitsamt als arbeitsuchend zu melden.
Anrufung der Clearingstelle: Wirksamer Schutz vor wirtschaftlichem Schaden!
Vor diesem wirtschaftlichen Schaden schützt nur ein im Vorfeld seiner Selbständigkeit durchgeführtes Statusfeststellungsverfahren.
Wolfgang Arends weist einmal mehr auf dieses Problem in einem neuen Fachartikel zur „aktuellen Rechtsprechung zur Scheinselbständigkeit im Bereich der Gesundheitsberufe“ hin. Obwohl immer mehr Gerichtsverfahren zu diesem Thema nicht nur anhängig sind, sondern auch verstärkt zu dem Thema berichtet wird, ist die Beschäftigung von vermeintlich freien Mitarbeitern oder von Subunternehmern in der Praxis sehr beliebt. Zum einen möchten die Auftraggeber Personalengpässe überbrücken ohne arbeitsvertragliche Bindungen einzugehen. Tarifbestimmungen, Kündigungsschutz und soziale Verpflichtungen laufen also ins Leere. Zum anderen sind viele Krankenhäuser und Kliniken auf sogenannten Drittmittel angewiesen, die projekt- oder auftragsbezogen von der Industrie ausgelobt werden. Die eigentlich angestellten Ärzte übernehmen zusätzliche Aufgaben in der Klinik, die nicht mit den Krankenkassen oder Patienten, sondern mit der Industrie abgerechnet werden … Diese Ärzte sind selbstverständlich in die Arbeitsorganisation der Station eingegliedert – wie sollte es auch anders gehen?! Vieles deutet bei dieser Praxis auf Scheinselbständigkeit hin und wir können nur jedem Betroffenen raten, einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status bei der Clearingstelle der deutschen Rentenversicherung zu stellen, bevor ein etwaiger Zusatzvertrag mit dem eigenen Arbeitgeber unterschrieben wird.
Zum Hintergrund: Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt regelmäßig, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrages oder ihm gleichgestellten Rechtsverhältnisses im Dienst eines anderen zur Arbeit gegenwärtig verpflichtet ist („Arbeitnehmer“) und aus diesem Dienstverhältnis Arbeitslohn bezieht. Das wesentliche und in der Praxis für die Abgrenzung der Arbeitnehmereigenschaft bedeutsamste, aber auch am schwierigsten zu bestimmende Merkmal ist dasjenige von der „Arbeit im Dienst eines anderen”.
Selbständig ist demgegenüber, wer seine Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Ist der zur Dienstleistung Verpflichtete nach den tatsächlichen Umständen nicht in der Lage, seine vertraglichen Leistungspflichten alleine zu erfüllen, sondern auf Hilfskräfte angewiesen und vertraglich berechtigt, seine Leistungen durch Dritte erbringen zu lassen, liegt regelmäßig kein Arbeitsverhältnis vor.
Der Arbeitnehmer unterscheidet sich von den sonstigen dienstpflichtigen Mitarbeitern durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, durch seine Weisungsgebundenheit, durch Zeit- und Ortsgebundenheit, durch den Grad der Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers, durch fehlendes Tragen eines Unternehmerrisikos etc.
Die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Arbeitnehmermerkmale trägt regelmäßig der Dienstnehmer (z.B. Handelsvertreter, Journalist oder Arzt), der die Arbeitnehmereigenschaft geltend macht. In Zweifelsfragen wird die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund (und nur diese) im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahren rechtsverbindlich feststellen, ob eine Beschäftigung oder eine Selbständigkeit vorliegt.
Beraterhinweis: Sprechen Sie uns an, wenn Sie mehr zu dem Thema wissen oder eine Kopie des Fachartikels lesen möchten. Auch die deutsche Rentenversicherung Bund informiert auf ihrer Seite ausführlich zu dem Thema oder beantwortet telefonisch die ersten Fragen.
Quelle: Wolfgang Arens „Aktuelle Rechtsprechung zur Scheinselbständigkeit im Bereich der Gesundheitsberufe“, (Profile 01/2017, Fachmagazin des Steuerberaterverbands Westfalen-Lippe aus Feb. 2017)