Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB)

veröffentlicht am 13. Dezember 2022, überarbeitet am 13.02.2022

Inhaltsverzeichnis

Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB)

Begriff, Bedeutung und Herkunft der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB)

An zahlreichen Stellen der Buchführungs- und Bilanzierungsvorschriften des HGB wird auf die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) verwiesen; hier seien nur einige wenige dieser Stellen genannt:

  • Der Kaufmann hat in seinen Büchern „seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen“ (§ 238 Abs. 1 Satz 1 HGB).
  • Das Verfahren der Inventur „muss den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen“ (§ 241 Abs. 1 Satz 2 HGB).
  • „Der Jahresabschluss ist nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung aufzustellen“ (§ 243 Abs. 1 HGB).

Jeder Kaufmann ist also verpflichtet, die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) darzustellen. Die Verfahren der Inventur müssen diesen Grundsätzen entsprechen, genauso wie die Aufstellung seines Jahresabschlusses nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) zu erfolgen hat; gleiches ist für den Konzernabschluss zu beachten. Man spricht dann in diesem Zusammenhang von den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung (GoB).

Pflichtanwendung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) trotz unbestimmtem Rechtsbegriff

Obwohl das HGB die Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) vorschreibt, wird im Gesetz nicht definiert, was diese sind – es handelt sich somit um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der erst mit Inhalt gefüllt werden muss.

Insbesondere durch Rechtsnormen und Rechtsprechung ist der Begriff der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) geprägt und ist von Rechtsprechung und Verwaltung jeweils im Einzelnen auszulegen und anzuwenden (BFH-Urteil vom 12. Mai 1966, BStBl III S. 371; BVerfG-Beschluss vom 10. Oktober 1961, 2 BvL 1/59, BVerfGE 13 S. 153; Tz. 17 in BMF-Schreiben vom 28.11.2019).

Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) können sich durch gutachterliche Stellungnahmen, Handelsbrauch, ständige Übung, Gewohnheitsrecht, organisatorische und technische Änderungen weiterentwickeln und sind einem steten Wandel unterworfen (Tz. 17 in BMF-Schreiben vom 28.11.2019).

Einige Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) sind also im HGB verankert, andere nicht. Für ihre Pflichtanwendung spielt das keine Rolle:

Wenn das HGB z. B. formuliert, der Jahresabschluss sei unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) aufzustellen, kommt es nicht darauf an, ob die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) kodifiziert sind oder nicht. Sie sind zu befolgen.

Die GoB enthalten sowohl formelle als auch materielle Anforderungen an eine Buchführung.

  • Die formellen Anforderungen ergeben sich insbesondere aus den §§ 238 ff. HGB für Kaufleute und aus den §§ 145 bis 147 AO für Buchführungs- und Aufzeichnungspflichtige.
  • Materiell ordnungsmäßig sind Bücher und Aufzeichnungen, wenn die Geschäftsvorfälle einzeln, nachvollziehbar, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet in ihrer Auswirkung erfasst und anschließend gebucht bzw. verarbeitet sind (vgl. § 239 Absatz 2 HGB, § 145 AO, § 146 Absatz 1 AO; vgl. Tz. 19 in BMF-Schreiben vom 28.11.2019 mit Hinweis auf Tz. 11 zur Beweiskraft von Buchführung und Aufzeichnungen.)

Zweck der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB)

Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) sollen helfen, gesetzliche Vorschriften auszulegen, aber auch Gesetzeslücken zu füllen, so dass auch bei fehlenden Vorschriften zu einzelnen Fragestellungen eine ordnungsmäßige Buchführung und Bilanzierung gewährleistet ist.

Herkunft und Gewinnung von Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB)

Über Herkunft und Gewinnung von Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) ist lange gestritten worden. Diese abzuleiten aus dem durchschnittlichen Verhalten ehrbarer Kaufleute (sog. induktive Methode), wird überwiegend abgelehnt. Auch die ausschließliche Herleitung aus den Zielen des Jahresabschlusses (sog. deduktive Methode) begegnet Kritik. In jüngerer Zeit scheint sich eine ganzheitliche Betrachtungsweise (sog. hermeneutische Methode) durchzusetzen.

Gesetzliche Fixierung zahlreicher Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) durch BiRiLiG (1985)

Da seit dem BiRiLiG 1985 zahlreiche Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) gesetzlich fixiert sind und obendrein auf EU-Recht basieren, ist auch die Auslegung der im Gesetz genannten Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) erforderlich. Dabei sind ausgehend von den Zielen der Bilanzrichtlinie die folgenden Punkte zu berücksichtigen:

  • weitere handelsrechtliche Ziele (Zahlungsbemessung, Gläubigerschutz),
  • der Wortlaut und Wortsinn handelsrechtlicher Vorschriften,
  • ihr Bedeutungszusammenhang und
  • die in den Gesetzesmaterialien (Begründungen) zum Ausdruck kommende Auffassung des Gesetzgebers.

Fraglich ist, ob auch die IFRS zur Auslegung herangezogen werden können, da sich erkennbar das EU-Bilanzrecht und das nationale Recht auf IFRS zubewegen. Allerdings hat die IFRS-Rechnungslegung ausschließlich das Ziel entscheidungsnützlicher Informationsvermittlung und wird daher als Rechtsquelle im juristischen Sinne für die handelsrechtliche Bilanzierung überwiegend abgelehnt (Meyer 2019, S. 65).

Systematisierung

Systematisierung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung

Die GoB nur als Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zu verstehen, greift zu kurz. Schon seit Langem werden unter den GoB auch die Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung verstanden und zusammengefasst. Die Systematisierung ist dabei nicht einheitlich.

Eine Möglichkeit unterscheidet die GoB in einen engeren, die Buchführung betreffenden, und in einen weiteren, den Jahresabschluss betreffenden, Sinn (Meyer 2019, S. 66).

  • Die GoB i. e. S. haben hauptsächlich Grundsätze zur Buchführung zum Gegenstand. Hier geht es um Fragen der Organisation und Durchführung, aber noch nicht z. B. um Bewertungsfragen.
  • Bewertungsfragen und andere Themen werden aufgegriffen von den GoB i. w. S., die daher bei der Aufstellung des Jahresabschlusses zu beachten sind. Sie lassen sich weiter untergliedern in formelle und materielle Grundsätze und letztere weiter in Systemgrundsätze und Erfolgsgrundsätze.
Quelle: Systematik der GoB (Meyer 2019, S. 66)

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Rahmen-, Abgrenzungs– und allgemeine bzw. ergänzende Grundsätze zu unterscheiden (Prof. Dr. Theile, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung – GoB (HGB) 2019):

Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung GoB (HGB) (Prof. Dr. Theile, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung – GoB (HGB) 2019)
Allgemeine Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung (HGB) (Wöhe 1990, S. 998)

Allgemeine Grundsätze der Rechnungslegung

Es gibt eine Anzahl von allgemeinen Grundsätzen der Rechnungslegung, die sowohl bei der Führung der Bücher, also der Buchführung, als auch bei der Aufstellung des Jahresabschlusses beachtet werden müssen.

  • Formelle Grundsätze (z.B. Klarheit und Übersichtlichkeit, Beibehaltung der gewählten Gliederung der Bilanz und der Erfolgsrechnung und des Anhangs) dienen der besseren Information der Bilanzadressaten und der Vergleichbarkeit des Jahresabschlusses mit früheren Jahresabschlüssen. Ihre Verletzung hat keinen Einfluss auf die Höhe des ausgewiesenen Vermögens und Erfolgs.
  • Die Verletzung materieller Grundsätze (z.B. Vollständigkeit und Richtigkeit der Buchführung oder der Angaben im Anhang) kann zur Folge haben, dass das gesetzliche Gebot des § 264 Abs. 2 HGB, dass der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermitteln soll, nicht erfüllt werden kann.

Zweistufige Prüfung der Grundsätze für die Bilanzierung

Für die Aufstellung des Jahresabschlusses sind neben allgemeinen Grundsätzen auch solche abzugrenzen, die bei der Bilanzierung dem Grunde bzw. der Höhe nach heranzuziehen sind (Wöhe 1990, S. 996 ff.).

Grundsätze für die Bilanzierung dem Grunde nach

Bei der Bilanzierung dem Grunde nach lautet die Fragestellung: Welche Vermögensgegenstände und Schulden müssen, welche dürfen und welche dürfen nicht bilanziert werden, d.h. man unterscheidet

  1. Aktivierungs- und Passivierungsgebote
  2. Aktivierungs- und Passivierungswahlrechte
  3. Aktivierungs- und Passivierungsverbote

Diese Grundsätze beeinflussen die Höhe des Vermögens, der Schulden und des Erfolgs:

  • Wird ein Aktivierungsrecht eingeräumt, so bedeutet die Entscheidung für die Aktivierung den Ausweis eines im Vergleich zur Nichtaktivierung höheren Vermögens und Erfolgs.
  • Besteht ein Passivierungswahlrecht, so bedeutet die Passivierung (z.B. die Bildung einer Rückstellung) einen höheren Schuldenausweis und eine entsprechende, den Periodenerfolg mindernde Verrechnung von Aufwand.
Grundsätze für die Bilanzierung dem Grunde nach (HGB) (Wöhe 1990, S. 999)

Grundsätze für die Bilanzierung der Höhe nach

Bei der Bilanzierung der Höhe nach geht es um die Frage: Wenn ein Vermögensgegenstand oder eine Schuld bilanziert werden muss oder darf, wie sind diese Position dann zu bewerten? Man unterscheidet:

Bewertungsgebote erlauben kein Wahlrecht und geben keine Bewertungs- oder Ermessensspielräume; sie sind zu befolgen.

  1. Bewertungsgebote
  2. Bewertungsverbote
  3. Bewertungswahlrechte
  4. Ermessungsspielräume

Der Unterschied zwischen Bewertungswahlrechten und Ermessensspielräumen besteht darin, dass bei gesetzlich eingeräumten Bewertungswahlrechten der Bilanzierende die Wahl zwischen mindestens 2 gesetzlich zulässigen Wertansätzen hat, so darf z.B. nach § 253 Abs. 2 HGB bei Gütern des Anlagevermögens im Fall einer voraussichtlich nur vorübergehenden Wertminderung sowohl der bisherige Buchwert fortgeführt als auch eine Abschreibung auf den niedrigeren Wert vorgenommen werde. Beide Werte sind also gesetzmäßig. § 279 Abs. 1 HGB schränken diese Wahlrechte bei Kapitalgesellschaften auf Vermögensgegenstände des Finanzanlagevermögens ein.

Ermessensspielräume bei der Bewertung ergeben sich dadurch, dass der Gesetzgeber einen bestimmten Wert bzw. eine bestimmte Wertart zwar zwingend vorgeschrieben hat, nicht jedoch die jeweilige Methode und die jeweiligen Komponenten zu seiner Bestimmung. So schreibt das HGB z.B. in bestimmten Fällen den Ansatz der Herstellungskosten vor, lässt aber bei ihrer Ermittlung insofern einen Ermessensspielraum als es sowohl Herstellungskosten, die auf Vollkostenbasis als auch Herstellungskosten, die auf Teil- oder Grenzkostenbasis ermittelt sind, zulässt. Ermessensspielräume ergeben sich auch – ohne dass sie vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgegeben sind – dadurch, dass viele Wertansätze unter unvollkommener Information über die zukünftige Entwicklung fixiert werden müssen. Das gilt z.B. bei der Bemessung von Garantie-, Prozess- oder Bergschädenrückstellungen oder bei der Bemessung von Abschreibungen auf Vorräte.

Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung der Höhe nach (HGB) (Wöhe 1990, S. 1000)

Dokumentationsgrundsätze

Ziel und Zweck von Dokumentationsgrundsätzen

Mit den Dokumentationsgrundsätzen (GoB i. e. S.) soll die vollständige und nachvollziehbare Aufzeichnung aller Geschäftsvorfälle erreicht werden. Einem sachverständigen Leser der Bücher und Aufzeichnungen muss es möglich sein, die Geschäftsvorfälle nachvollziehen zu können (siehe zum Ziel auch § 238 Abs. 1 HGB). Die hierzu erforderlichen Grundsätze sind im Wesentlichen in den §§ 238, 239 HGB aufgeführt (Meyer 2019, S. 66 f).

Die Eintragungen und Aufzeichnungen müssen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorgenommen werden (§ 238 Abs. 2 HGB).

  • Vollständigkeit bedeutet, dass alle zu erfassenden Geschäftsvorfälle auch tatsächlich gebucht werden. Auch die Vollständigkeit der Konten muss gesichert sein.
  • Richtig ist eine Eintragung dann, wenn sie den Geschäftsvorfall so, wie er sich ereignet hat, wiedergibt.
  • Die zeitgerechte Erfassung hängt vom Geschäftsvorfall ab: Kassenvorgänge sollen täglich gebucht werden, während für manche Hauptbucheintragungen z. B. eine monatliche Erfassung ausreichend ist.
  • Die geordnete Erfassung schließlich zielt auf die Einrichtung von Grund-, Haupt- und Nebenbüchern ab, also auf die Einrichtung eines planvoll gegliederten Buchführungssystems.

Die Eintragungen müssen außerdem in einer lebenden Sprache vorgenommen werden (§ 239 Abs. 1 Satz 1 HGB). Lateinisch wäre nicht zulässig, wohl aber z. B. Englisch.

Unveränderbarkeit: Einmal getätigte Buchungen dürfen nicht verändert werden (§ 239 Abs. 3 HGB), sodass fehlerhafte Buchungen eine sog. Storno-Buchung hervorrufen.

Um Geschäftsvorfälle nachvollziehen zu können, müssen diese auch belegt werden (Belegprinzip).

Zu den GoB gehört auch die Sicherung der Zuverlässigkeit und Ordnungsmäßigkeit des Rechnungswesens durch ein der Art und Größe des Unternehmens angemessenes internes Überwachungssystem (IÜS). Die Einrichtung eines IÜS ist zu dokumentieren und die Funktionsfähigkeit sicherzustellen.

GoBD als gewichtiges formelles Kriterium

Die steuerrechtlichen Regelungen zur Buchführung knüpfen über §§ 145 ff. AO an die handelsrechtlichen Vorschriften an. Insbesondere die §§ 146 ff. AO enthalten konkretisierende Vorgaben, so zum Ort der Buchführung, zur Verlagerung in das Ausland und zu Sanktionen. Die Möglichkeiten der Speicherung und Aufbewahrung der Unterlagen sind Gegenstand von §§ 147 f AO.

Sämtliche dieser Regelungen sind vor dem Hintergrund der steuerlichen Überprüfbarkeit des Steuerpflichtigen zu sehen, also der steuerlichen Betriebsprüfung (Außenprüfung nach §§ 193 ff. AO). Diesem Ziel dient im Übrigen auch die sog. E-Bilanz (§ 5b EStG).

Die Finanzverwaltung hat zur weiteren Konkretisierung der steuerlichen Buchführung das BMF-Schreiben betreffend die Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) vom 14.11.2014 (BStBl. I S. 1450) veröffentlicht. Diese wurden mit Schreiben vom 28.11.2019 (BStBl 2019 I S. 1269) aktualisiert und nehmen in Tz. 19 direkten Bezug auf die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB).

Verantwortung trägt allein der Steuerpflichtige

In diesem Schreiben wird in Tz. 21 außerdem hervorgehoben, dass für die Ordnungsmäßigkeit elektronischer Bücher und sonst erforderlicher elektronischer Aufzeichnungen, einschließlich der eingesetzten Verfahren, alleine der Steuerpflichtige verantwortlich ist. Auch bei einer teilweisen oder vollständigen organisatorischen und technischen Auslagerung von Buchführungs- und Aufzeichnungsaufgaben auf Dritte (z. B. Steuerberater oder Rechenzentrum) bleibt er der Verantwortliche.

WICHTIG: Die GoBD sind von ALLEN Buchführungs- und Aufzeichnungspflichtigen zu beachten UND NICHT auf Buchführungspflichtige beschränkt. Denn auch bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG können außersteuerliche Aufzeichnungspflichten (soweit nach § 140 AO für die Besteuerung von Bedeutung) oder steuerliche Aufzeichnungspflichten (z.B. § 22 UStG) bestehen.

Beweiskraft von Buchführung und Aufzeichnungen, Darstellung von Beanstandungen durch die Finanzverwaltung

In Tz. 11 des Schreibens wird auf die Beweiskraft von Buchführung und Aufzeichnungen, Darstellung von Beanstandungen durch die Finanzverwaltung hingewiesen. Nach § 158 AO sind die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Werden Buchführung oder Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen im Einzelfall durch die Finanzverwaltung beanstandet, so ist durch die Finanzverwaltung der Grund der Beanstandung in geeigneter Form darzustellen.

Brennpunkt (elektronische) Kassenbuchführung

Von großer Brisanz war und ist dabei das Thema der „offenen Ladenkasse“ mit tatsächlicher Wirkung auf den Einsatz von elektronischen Registrierkassen. Auf die Anforderungen der Finanzverwaltung an eine elektronische Kassenbuchführung gehe ich in einem separaten Beitrag ein.

Grundsätze der Informationsvermittlung

Eines der Ziele und Funktionen des Jahresabschlusses ist die Informationsfunktion. Welche Grundsätze sollen beachtet werden, damit diese Funktion erfüllt werden kann? Um diese Frage zu beantworten, kann der Abschlussaufsteller auch die Perspektive wechseln:

Abschlüsse sollen so aufgestellt werden, dass die Abschlussempfänger möglichst hohen Nutzen aus den Informationen erhalten.

Bilanzklarheit und Übersichtlichkeit

Es ist relativ trivial, dass eine klare und übersichtliche Abschlussaufstellung hierzu grundlegend ist. Zu den formellen Bilanzierungsgrundsätzen der Informationsvermittlung gehören daher die Bilanzklarheit und die Übersichtlichkeit der Bilanz und der weiteren Abschlusselemente. Unter Bilanzklarheit wird eine klare Gliederung und Bezeichnung der Bilanzposten verstanden.

Verrechnungs- und Saldierungsverbot

Auch dürfen im Zuge des Bruttoprinzips keine Aktiv- und Passivposten sowie Aufwendungen und Erträge miteinander saldiert werden (Verrechnungs- oder Saldierungsverbot, § 246 Abs. 2 Satz 1 HGB, § 5 Abs. 1a Satz 1 EStG).

Allerdings gilt das Saldierungsverbot nicht absolut. Das Gesetz benennt explizite Durchbrechungen des Saldierungsverbots, so z. B. die Pflicht-Saldierung von Pensionsverpflichtungen mit Deckungsvermögen, § 246 Abs. 2 Satz 2 HGB, die aber steuerlich unzulässig ist. Es besteht auch Konsens darüber, dass Forderungen und Verbindlichkeiten bei einer Aufrechnungslage nach § 387 BGB saldiert werden können. Solche Saldierungen sind unter dem Gesichtspunkt der Information nicht schädlich.

Vollständigkeitsgebot und Gebot der Vergleichbarkeit

Zu den Grundsätzen der Informationsvermittlung zählen auch das Vollständigkeitsgebot (§ 246 Abs. 1 Satz 1 HGB) und das Gebot der Vergleichbarkeit. Ziel ist hier, den aktuellen Abschluss eines Unternehmens mit den Vorjahresabschlüssen vergleichen zu können, ohne dass veränderte Bilanzierungsmethoden dabei stören.

Vergleichbarkeit eines Unternehmens auf der Zeitachse erfordert daher die formelle Stetigkeit (Anfangsbilanz des Geschäftsjahres = Schlussbilanz des Vorjahres, oft auch als formelle Bilanzkontinuität bezeichnet) sowie die materielle Stetigkeit (Beibehaltung der Ansatzmethoden, § 246 Abs. 3 HGB sowie Beibehaltung der Bewertungsmethoden, § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB). Die materielle Stetigkeit darf nur in begründeten Ausnahmefällen durchbrochen werden (§ 252 Abs. 2 HGB).

Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaften müssen solche Durchbrechungen im Anhang angeben und ihre Vornahme begründen (§ 284 Abs. 2 Nr. 2 HGB), damit die Abschlussadressaten diese Durchbrechungen erkennen und würdigen können.

Wesentlichkeitsgrundsatz

Bestehende Bilanzierungsvorschriften müssen nicht notwendigerweise auf alle Sachverhalte im Hinblick auf Ansatz, Ausweis und Bewertung angewendet werden. Vereinfachungen sind möglich, sofern ihr Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage unwesentlich ist (Wesentlichkeitsgrundsatz).

Die Bilanzrichtlinie enthält explizit einen solchen Wesentlichkeitsgrundsatz: Die Anforderungen der Richtlinie „in Bezug auf Ansatz, Bewertung, Darstellung, Offenlegung und Konsolidierung (müssen) nicht erfüllt werden, wenn die Wirkung ihrer Einhaltung unwesentlich ist“ (Art. 6 Abs. 1 Buchst. j der Bilanzrichtlinie).

Ferner definiert die Richtlinie „wesentlich“ als den Status von Informationen, bei denen vernünftigerweise zu erwarten ist, dass ihre Auslassung oder fehlerhafte Angabe Entscheidungen beeinflusst, die Nutzer auf der Grundlage des Abschlusses des Unternehmens treffen. Dabei ist die Wesentlichkeit einzelner Posten im Zusammenhang mit anderen ähnlichen Posten zu beurteilen (siehe Art. 2 Nr. 16 der Bilanzrichtlinie).

Der deutsche Gesetzgeber hat den Wesentlichkeitsgrundsatz der Richtlinie im Zuge des BilRUG 2015 nicht in das HGB übernommen, weil der Grundsatz schon lange Bestandteil der GoB sei. Das ist zutreffend. Tatsächlich ist der Wesentlichkeitsgrundsatz nicht nur ungeschriebenes GoB-Verständnis; an vielen Stellen im HGB findet sich seine explizite Nennung:

  • Festwertansatz (§ 240 Abs. 3 HGB): „von nachrangiger Bedeutung“,
  • Zusammenfassung von Posten (§ 265 Abs. 7 Nr. 1 HGB): „nicht erheblich“,
  • Anhangangaben (§ 285 Nr. 31 und 32 HGB): „Beträge nicht von untergeordneter Bedeutung“,
  • Verzicht auf Vollkonsolidierung von Tochterunternehmen (§ 296 Abs. 2 HGB): „untergeordnete Bedeutung“,
  • Schuldenkonsolidierung (§ 303 Abs. 2 HGB), Zwischenerfolgseliminierung (§ 304 Abs. 2 HGB), Aufwands- und Ertragskonsolidierung (§ 305 Abs. 2 HGB): „untergeordnete Bedeutung“.

In der Praxis hat der Wesentlichkeitsgrundsatz in Handels- und Steuerbilanz hohe Bedeutung. Kleinstbeträge beim Anlagevermögen müssen weder inventarisiert noch angesetzt werden („geringstwertige Wirtschaftsgüter“), geringwertige Wirtschaftsgüter können sofort abgeschrieben werden, und die handelsrechtliche Zulässigkeit der steuerlichen Poolabschreibung ist einzelfallabhängig zu prüfen. Schulden sind allerdings ungeachtet ihrer Wesentlichkeit vollständig aufzunehmen. In der Frage des Ansatzes von Rückstellungen sind oftmals Ermessensentscheidungen notwendig (Meyer 2019, S. 67 ff.).

Weitere Systemgrundsätze der GoB

Einzelbewertung

Vermögensgegenstände und Schulden sind einzeln zu bewerten (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Folglich dürfen Vermögensgegenstände nicht mit anderen Vermögensgegenständen oder Schulden nicht mit anderen Schulden für Bewertungszwecke zusammengefasst werden.

Allerdings gibt es auch gesetzliche (Wahlrechts-) Abweichungen vom Einzelbewertungsgrundsatz, etwa beim Festwert (§ 240 Abs. 3 HGB), bei der Gruppenbewertung (§ 240 Abs. 4 HGB), bei den Bewertungsvereinfachungsverfahren Lifo und Fifo nach § 256 HGB sowie beim Hedge Accounting (§ 254 HGB) (Meyer 2019, S. 69).

Going-Concern-Prämisse (Unternehmensfortführung)

Bei der Bewertung von Vermögen und Schulden ist von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB). Daher dürfen Vermögensgegenstände nicht zu Liquidationswerten angesetzt werden. Stattdessen sind die Anschaffungswerte (planmäßig) fortzuführen. Die Going-Concern-Prämisse ist so lange auf­recht zu erhalten, sofern ihr nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen. Solche Gegebenheiten können in wirtschaftlichen Schwierigkeiten oder der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu sehen sein. Zur Beurteilung der Unternehmensfortführung wird ein Prognosehorizont von einem Jahr zugrunde gelegt (Meyer 2019, S. 69).

Pagatorik

Unter dem Begriff „Pagatorik“ bezeichnet man Sachverhalte, denen reale Zahlungsströme zugrunde liegen. Nur diese sind zu erfassen. Der Grundsatz der Pagatorik ergibt sich aus § 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB. Die handelsrechtlichen Vorgaben zu Anschaffungs- und Herstellungskosten sollen beispielsweise sicherstellen, dass nur tatsächlich angefallene Ausgaben aktiviert werden; es wird also von pagatorischen Kosten gesprochen. Die Finanzbuchhaltung ist auf Zahlungsvorgänge aufgebaut und kann als pagatorische Buchhaltung interpretiert werden – im Gegensatz zur Betriebsbuchhaltung, die als kalkulatorische Buchhaltung beschrieben werden kann. Eine nicht in der Finanzbuchhaltung, wohl aber in der Betriebsbuchhaltung zu berücksichtigende kalkulatorische Größe liegt z. B. bei kalkulierten Eigenmieten vor. Durch den Grundsatz der Pagatorik wird der Jahresabschluss also objektiviert und trägt wesentlich zur Erreichung der Ziele Kapitalerhaltung und Rechenschaft bei (Meyer 2019, S. 70).

Periodisierung

Der Grundsatz der Periodisierung ist in § 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB verankert und besagt, dass Aufwendungen und Erträge einer Periode unabhängig von den Zeitpunkten der entsprechenden Zahlungen zu berücksichtigen sind.

Die Periodenabgrenzung ist ein Hauptmerkmal der Bilanzierung nach HGB und Steuerrecht und macht den wesentlichen Unterschied zu einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung aus.

Abgrenzungsbuchungen der Periodisierung finden sich in den Bilanzposten Forderungen, Verbindlichkeiten, Rückstellungen und Rechnungsabgrenzungsposten. Die Abgrenzung der Zeit nach regelt u. a. die zeitraumbezogene Erfassung von Aufwendungen und Erträgen, wie z. B. Mieten, Versicherungsprämien etc. Diese sind der Periode zuzurechnen, in der die entsprechende Gegenleistung erfolgt (Meyer 2019, S. 70).

Stichtagsprinzip und Wertaufhellung

Das Stichtagsprinzip ist zusammen mit dem Einzelbewertungsgrundsatz in § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB genannt. Bei der Bewertung der im Jahresabschluss ausgewiesenen Vermögensgegenstände und Schulden ist auf die Verhältnisse am Abschlussstichtag abzustellen. Es dürfen bei der Bilanzierung nur diejenigen Geschäftsvorfälle und Ereignisse berücksichtigt werden, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind.

Nach § 240 Abs. 2 HGB gilt als Abschlussstichtag (Bilanzstichtag) der Schluss des Geschäftsjahres (im Steuerrecht: Wirtschaftsjahr, vgl. § 4a EStG). Meist wird zum Geschäftsjahr das Kalenderjahr und damit der 31. 12. jeden Jahres zum Abschlussstichtag gewählt (vgl. hierzu § 240 Abs. 1, 2 HGB, § 4a EStG, § 8b EStDV, R 4a. EStR, § 7 Abs. 4 KStG). Es sind aber auch abweichende Geschäftsjahre möglich, etwa vom 1. 10. bis 30. 9. des Folgejahres; so verfährt beispielsweise die Thyssenkrupp AG.

Die Aufstellung des Jahresabschlusses und damit auch die der Bilanz vollzieht sich natürlich nicht am Abschlussstichtag, sondern mitunter erst Wochen oder Monate danach. Fraglich ist, wie mit Informationen umzugehen ist, die erst nach dem Abschlussstichtag zugehen.

Soweit sie sich auf Ereignisse aus der Zeit vor dem Abschlussstichtag beziehen (wertaufhellende Ereignisse), müssen sie noch für das vergangene Jahr verwertet werden.

Umgekehrt wirken sog. wertbegründende Ereignisse nur für das neue Geschäftsjahr. Die nächste Abbildung zeigt die Grundsätze für die Berücksichtigung wertaufhellender Informationen (Meyer 2019, S. 71).

Wertaufhellende Ereignisse (Meyer 2019, S. 72)
 WERTAUFHELLENDE EREIGNISSE
(1)Maßgebender Zeitpunkt für die Bewertung ist der AbschlussstichtagBei der Bewertung der Vermögensgegenstände und dem Ansatz von Verbindlichkeiten muss von den am Bilanzstichtag objektiv vorliegenden Tatsachen ausgegangen werden (vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Wertbeeinflussende Tatsachen, die erst nach dem Bilanzstichtag eintreten, bleiben unberücksichtigt.
(2)Die bessere Erkenntnis über die Verhältnisse am Abschlussstichtag, erlangt nach dem Abschlussstichtag, aber vor Aufstellung des Abschlusses, muss bei der Bewertung berücksichtigt werden.Die Verhältnisse am Bilanzstichtag sollen möglichst genau und zutreffend erfasst werden und sollen auch im Jahresabschluss ihren Niederschlag durch eine entsprechende Bilanzierung finden. Alle bis zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung erlangten Erkenntnisse über die Verhältnisse am Bilanzstichtag sind zu verwerten. Dies gilt ohne Rücksicht darauf, ob sie steuerlich zu Gunsten oder zu Ungunsten der Unternehmung wirken.
(3)Nach dem Tag der Aufstellung erhaltene Informationen bleiben ohne Einfluss.Eine nach dem Zeitpunkt der Bilanzaufstellung erlangte bessere Erkenntnis über die Verhältnisse am Bilanzstichtag darf nicht mehr berücksichtigt werden. Eine Bilanzberichtigung, -änderung kommt nicht infrage; vgl. § 4 Abs. 2 EStG, R 4.4 EStR.
(4)Der Wertaufhellungszeitraum endet spätestens mit Ablauf der Frist zur Aufstellung des Abschlusses.Der Wertaufhellungszeitraum endet in jedem Falle an dem Tage, an dem der handelsrechtliche Jahresabschluss nach den Vorschriften des HGB hätte spätestens aufgestellt werden müssen, vgl. § 264 Abs. 1 HGB. BFH-Beschluss vom 12. 12. 2012, I B 27/12. Die Frage ist natürlich nur relevant, wenn die tatsächliche Aufstellung nach Fristablauf erfolgt.
Wertaufhellende Ereignisse (Meyer 2019, S. 72)

Erfolgsgrundsätze

Realisationsprinzip

Inhalt und Bedeutung

Das Realisationsprinzip ist der zentrale Grundsatz, der Auskunft über den Zeitpunkt der Gewinnentstehung und über die Aufwandsverteilung gibt:

„Gewinne sind nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind“ (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 zweiter Halbsatz HGB).

Zusammen mit dem Anschaffungskostenprinzip und dem Imparitätsprinzip skizziert es die Leitlinie für alle wesentlichen Bewertungsfragen im HGB (Meyer 2019, S. 73).

Aufwand: Grundsatz der Abgrenzung der Sache nach (matching principle)

Da der Gewinn den Saldo aus Erträgen abzgl. Aufwendungen darstellt, enthält das Realisationsprinzip auch einen Aufwandsverteilungsgrundsatz:

Zum Realisationszeitpunkt sind nicht nur die Erträge, sondern auch die (unmittelbar) zur Ertragserzielung notwendigen Aufwendungen zu erfassen.

Nach herkömmlicher Formulierung in der deutschen Literatur handelt es sich um den „Grundsatz der Abgrenzung der Sache nach“. Im internationalen Bereich ist dieser Grundsatz als matching principle bekannt, und in amerikanischen Lehrbüchern findet sich zur Charakterisierung des Grundsatzes oft der Satz: „Let the expense follow the revenue“.

Allerdings wird der Grundsatz der Abgrenzung der Sache nach durch den Grundsatz der Abgrenzung der Zeit nach eingeschränkt, wonach zeitraumbezogene Aufwendungen (Mieten, Versicherungen, Zinsen) auch zeitraumbezogen zu erfassen sind, also unabhängig von der eigenen Leistungsentstehung. Das gilt auch für planmäßige Abschreibungen (außerhalb der Leistungsabschreibung; diese ist definitionsgemäß leistungsbezogen).

Sachlogisch sind Aufwendungen, die weder Leistungsbezug aufweisen noch über die Zeit hinweg verursacht werden, dann zu erfassen, wenn sie anfallen. Dazu gehören etwa außerplanmäßige Abschreibungen (z. B. wegen Vernichtung von Produktionsanlagen durch Blitzschlag) (Meyer 2019, S. 73).

Beispiel: Die Zerstörung einer Produktionshalle führt zur sofortigen außerplanmäßigen Abschreibung. Eine planmäßige Verteilung des vorherigen Buchwerts der Halle über die Zeit kann nicht mehr erfolgen, weil die Halle wegen der Zerstörung kein Nutzenpotenzial mehr abgeben kann.

Realisationszeitpunkt

Wann ein Gewinn zu realisieren ist, bedarf der Interpretation. Theoretisch kämen folgende Realisationszeitpunkte in Betracht:

  • Vertragsabschluss,
  • Beginn oder Ende der Produktion,
  • Erfüllung der Lieferung-/Leistungsverpflichtung,
  • erfolgte Gegenleistung/Zahlung, Ablauf der Gewährleistung oder
  • Ablauf der Produkthaftung.

Den Gewinn zu einem sehr frühen Stadium – etwa dem Vertragsabschluss – zu erfassen, würde erfordern, die künftigen Erträge und Aufwendungen hinlänglich sicher abschätzen zu können.

Vor allem aber greift hier ein weiteres Bewertungsprinzip, nämlich das Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzip. Hiernach sind Vermögensgegenstände höchstens zu ihren Anschaffungs- und Herstellungskosten (AHK) anzusetzen.

Bis zur Erfüllung der Lieferungs-/Leistungsverpflichtung ist aber der auftragnehmende Kaufmann noch wirtschaftlicher Eigentümer des Vermögensgegenstands, den er also höchstens zu den AHK ansetzen darf, was eine Gewinnrealisation ausschließt.

Bestimmt man auf der anderen Seite der Skala den Ablauf der Gewährleistungspflicht als Realisationszeitpunkt, stünde erst zu einem solch späten Zeitpunkt der Gewinn endgültig fest. Andererseits ist da die Lieferung-/Leistungsverpflichtung schon lange erfüllt, der „Sprung zum Absatzmarkt“ also erfolgt.

Daher ist i. S. d. GoB dann vom Zeitpunkt der Gewinnrealisation auszugehen, wenn die Lieferungs-/Leistungsverpflichtung erfüllt ist und der Gefahrenübergang (auf den Käufer) erfolgt ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH v. 31. 3. 1995, I R 74/93, BStBl. 1995 II S. 683).

Bei dieser Markttransaktion entsteht auch der Anspruch auf Gegenleistung, etwa die Pflicht zur Kaufpreiszahlung, sodass eine entsprechende Forderung gewinnrealisierend zu aktivieren ist. Bei der Frage nach der Gewinnrealisierung kommt es auf den Zahlungszeitpunkt der Gegenleistung nicht an (Meyer 2019, S. 73).

Beispiel: Ein Kaufmann veräußert Ware mit Anschaffungskosten von 350 €/Stk. an drei verschiedene Kunden für jeweils 500 €/Stk. (= Verkaufspreis) mit unterschiedlichen Zahlungsmodalitäten.

  • Fall a): Er erhält eine teilweise Anzahlung i. H. v. 300 €, die restliche Zahlung i. H. v. 200 € erfolgt bei Auslieferung.
  • Fall b): Die Ware wird sofort bar bezahlt.
  • Fall c): Die Ware wird erst ausgeliefert und soll im Nachhinein bezahlt werden.

In allen drei Fällen ist der Gewinnrealisierungszeitpunkt der Zeitpunkt der Übergabe der Ware an den Kunden. Es wird der Umsatz (500 €/Stk.) und der Warenaufwand (350 €/Stk.) erfasst. Auf die Zahlungszeitpunkte kommt es nicht an. In allen drei Fällen entsteht daher zum Auslieferungszeitpunkt ein Gewinn von 150 €.

Die nachfolgende Abbildung zeigt für alle drei Fälle die Buchungen gegenüber dem Kunden. Die Materialaufwandsbuchung (Materialaufwand an Ware 350) zum Auslieferungszeitpunkt ist in allen Fällen gleich und hier nicht dargestellt.

Realisationsprinzip gilt auch für’s Steuerrecht

Gemäß § 5 Abs. 1 EStG ist das Realisationsprinzip auch für die Steuerbilanz zu beachten. Die steuerliche Rechtsprechung (vgl. z. B. BFH, Urteil v. 23. 11. 1995 BStBl. II 1996, S. 195; BFH v. 8. 9. 2005 BStBl. II 2006, S. 26) vertritt ebenso die Auffassung, dass als Zeitpunkt der Ertragsrealisation der Zeitpunkt der Leistungserbringung maßgeblich ist.

Schwierigkeiten bei der eindeutigen Bestimmung des Realisationsprinzips

Die eindeutige Bestimmung des Realisationszeitpunktes kann Schwierigkeiten bereiten bei Teilleistungen, im Kommissionsgeschäft, bei Werkleistungen oder beim Versendungskauf. Auch die Beurteilung sog. Mehrkomponentengeschäfte, oftmals die Kombination von Sachleistungen und Dienstleistungen (z. B. Smartphone für 1 € + Vertragsbindung über 24 Monate oder Autokauf + Wartungsvertrag usw.), ist nicht trivial. In diesen Fällen kommt es auf die jeweilige Vertragsgestaltung und regelmäßig auf das Erbringen der Hauptleistung an (Meyer 2019, S. 75).

Im (internationalen) Warenhandel ist beispielsweise die Bestimmung des Ortes der Leistung über die Incoterms üblich, die damit auch den Realisationszeitpunkt (Gefahrenübergang) kennzeichnen. Die folgende Tabelle enthält die wesentlichen Incoterm-Codes:

Wesentliche Incoterms (Meyer 2019, S. 76)

Anschaffungskostenprinzip

Nach dem Anschaffungskostenprinzip dürfen Vermögensgegenstände höchstens mit ihren Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert aber ggf. um Abschreibungen, angesetzt werden (§ 253 Abs. 1 HGB). Das Prinzip verhindert den Gewinnausweis vor einer Markttransaktion (Meyer 2019, S. 76).

Beispiel: Ein Kaufmann erwirbt Waren zum Preis von 350 €/Stk. Er kann sie regelmäßig für 500 €/Stk. verkaufen. Vor dem Verkauf (Sprung zum Absatzmarkt, Markttransaktion) bleiben die Waren für 350 €/Stk. im Bestand auf dem Warenkonto. Erst bei der Markttransaktion verliert der Kaufmann das wirtschaftliche Eigentum, die Ware wird aufwandswirksam ausgebucht (per Materialaufwand an Ware 350) und der Anspruch auf die Gegenleistung wird eingebucht (per Bank/Forderung an Umsatzerlöse 500).

Durchbrechungen des Anschaffungskostenprinzips – also die Bewertung oberhalb der Anschaffungskosten und damit eine Gewinnrealisation vor einer Markttransaktion – liegen vor bei

  • Umrechnung von Fremdwährungsposten mit Restlaufzeit < 1 Jahr (§ 256a HGB),
  • Bildung von Bewertungseinheiten nach § 254 HGB,
  • Bildung von insolvenz- und vollstreckungssicherem Vermögen und dessen Bewertung zum beizulegenden Zeitwert (§ 253 Abs. 1 Satz 4 HGB) zum Zweck der Saldierung mit Pensions- und ähnlichen Verpflichtungen (§ 246 Abs. 2 Satz 2 HGB),
  • Equity-Methode im Konzernabschluss (§ 312 HGB).

Imparitätsprinzip

Berücksichtigung aller vorhersehbaren Risiken und Verluste in der Handelsbilanz

Das Imparitätsprinzip verlangt die Berücksichtigung aller vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 HGB). Das Imparitätsprinzip umfasst somit die Berücksichtigung von am Abschlussstichtag wirtschaftlich entstandenen Risiken und Verlusten, die jedoch noch nicht realisiert sind. Somit steht das Imparitätsprinzip (Imparität = Ungleichheit) im direkten Gegensatz zum Realisationsprinzip. Die Grundidee des Imparitätsprinzips be­steht darin, in der abzuschließenden Periode den Betrag als Aufwand anzusetzen, der für die Deckung des bereits absehbaren Verlustes erforderlich wird. Das führt zu einer Gewinnminderung und infolgedessen zu einem geringeren Ausschüttungspotenzial, dient also dem Gläubigerschutz (Meyer 2019, S. 77).

Das Imparitätsprinzip wird handelsrechtlich konkretisiert

  • über die Niederstwertvorschriften für das Anlagevermögen (§ 253 Abs. 3 Satz 5 HGB), sog. „gemildertes Niederstwertprinzip“,
  • über die Niederstwertvorschriften für das Umlaufvermögen (§ 253 Abs. 4 HGB), sog. „strenges Niederstwertprinzip“ sowie
  • durch die Bildung von Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB), sog. Drohverlustrückstellungen.

Eingeschränkte Berücksichtigung vorhersehbarer Risiken und Verluste in der Steuerbilanz

Steuerbilanziell sind die o. g. handelsrechtlichen Konkretisierungen eingeschränkt: Die Niederstwertvorschriften sind nur als Wahlrecht von Teilwertabschreibungen zulässig, und die Drohverlustrückstellung ist sogar gänzlich verboten (§ 5 Abs. 4a Satz 1 EStG).

Beispiel: Im Geschäftsjahr x1 nimmt die Maschbau GmbH den Auftrag an, für 8.000 € eine Maschine in x2 zu liefern. Bis Jahresende hat die Maschbau GmbH noch nichts veranlasst, geht aber realistisch davon aus, für die Herstellung der Maschine in x2 9.000 € aufwenden zu müssen. In x1 ist der erwartete Verlust über die Bildung einer Drohverlustrückstellung zurückzustellen (per Aufwand an Drohverlustrückstellung 1.000 €), aber nur in der Handelsbilanz.

Vorsichtsprinzip

In der Frage des Bilanzansatzes und der Bewertung von Vermögen und Schulden sind oft Schätzungen erforderlich.

Beispiel: Die Nutzungsdauer einer Anlage könnte acht Jahre oder zehn Jahre betragen, der drohende Verlust aus einem angenommenen Auftrag könnte zwischen 500 € und 1.000 € liegen.

Hier greift der Grundsatz der vorsichtigen Bewertung, das Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 erster Halbsatz HGB). Nach sorgfältiger Würdigung jeglicher Chancen und Risiken soll der Kaufmann bei der Auswahl von zwei gleich wahrscheinlichen Zukunftslagen oder Schätzungen jene wählen, die zu einem geringeren Nettovermögensausweis führt. Das bedeutet: Für Vermögensgegenstände ist bei der Bewertung eher der untere Schätzwert, für Schulden eher der obere Schätzwert zu bestimmen. Der vorsichtige Kaufmann solle sich im Zweifel lieber „zu arm“ als „zu reich“ rechnen.

Das Vorsichtsprinzip gilt über das Maßgeblichkeitsprinzip gem. § 5 Abs. 1 EStG (siehe Tz. 1270 ff.) grundsätzlich auch für die Steuerbilanz (Meyer 2019, S. 77).