Unternehmereigenschaft bei planmäßigem An- und Verkauf von Waren über die Internetplattform „ebay“

BFH-Pressemitteilung Nr. 054/22 vom 10.11.2022 zum Urteil VR 19/20 vom 12.05.2022

Verkauf von Waren über die Internetplattform „eBay“ ist eine unternehmerisch steuerpflichtige Tätigkeit

Mit Urteil vom 12.05.2022 ‑ V R 19/20 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass ein Verkäufer, der auf jährlich mehreren hundert Auktionen Waren über „ebay“ veräußert, eine nachhaltige und damit umsatzsteuerrechtlich eine unternehmerische steuerpflichtige Tätigkeit i.S. des § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ausübt.

Leitsätze

1. Die Gegenleistung ist in Entgelt und Steuerbetrag aufzuteilen.

2. Veräußert ein Verkäufer auf jährlich mehreren hundert Auktionen Waren über die Internetplattform „ebay“, liegt eine nachhaltige und damit umsatzsteuerrechtlich unternehmerische Tätigkeit i.S. des § 2 Abs. 1 UStG vor.

3. Die Aufzeichnungspflichten gemäß § 25a Abs. 6 Satz 1 UStG gehören nicht zu den materiellen Voraussetzungen der Differenzbesteuerung. Ein Verstoß gegen die Aufzeichnungspflichten führt deshalb nicht grundsätzlich zur Versagung der Differenzbesteuerung.

Quelle: BFH-Urteil VR 19/20 vom 12.05.2022, vorgehend Hessisches Finanzgericht, 19. Juli 2018, Az: 2 K 1835/16

Sachverhalt

Die Klägerin kaufte im Streitzeitraum 2009 bis 2013 bei Haushaltsauflösungen diverse Gegenstände und versteigerte diese nachfolgend bei eBay. Nach Erkenntnissen einer Steuerfahndungsprüfung erzielte sie im Jahr 2009 Einnahmen i. H. von 40.000 € (577 Auktionen), im Jahr 2010 70.000 € (1057 Auktionen), im Jahr 2011 90.000 € (628 Auktionen), im Jahr 2012 90.000 € (554 Auktionen) sowie im Jahr 2013 80.000 € (260 Auktionen). Zur Durchführung dieser Tätigkeiten hatte die Klägerin vier eBay-Accounts eingerichtet und zwei Girokonten eröffnet.

Das FA ging von einem Gewerbebetrieb aus und erließ entsprechende Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide sowie Bescheide über Gewerbesteuermessbeträge. Darüber hinaus schätzte es mangels entsprechender Gewinnermittlungen die Betriebsausgaben der Klägerin i. H. von 30 % der Betriebseinnahmen.

Die Klägerin erhob nach erfolglosem Vorverfahren Klage. Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das FG entschied, die Einnahmen seien zu Recht dem Grunde nach der Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer unterworfen worden. In Anbetracht der Tatsache, dass die Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen den Ansatz von Betriebsausgaben mit Werten von 40 % bzw. 80 % des Nettoumsatzes für angemessen befunden habe, sei eine Schätzung der Betriebsausgaben bei der Einkommensteuer- und Gewerbesteuerfestsetzung von 60 % des Nettoumsatzes gerechtfertigt. Im Übrigen wies das FG die Klage ab (Hessisches FG, Urteil v. 19.7.2018 – 2 K 1835/16).

Der BFH hat die Revision als begründet angesehen, das FG-Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen:

  • Der BFH hat unter Hinweis auf sein Urteil vom 26.04.2012 – V R 2/11 entschieden, dass dies als nachhaltige Tätigkeit i.S. des § 2 Abs. 1 UStG zu beurteilen ist.
  • Der BFH hat in seiner Zurückverweisung dem Finanzgericht aber aufgegeben, bisher fehlende Feststellungen zur Differenzbesteuerung nach § 25a UStG nachzuholen. Danach wird bei einem Wiederverkäufer, der gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handelt oder solche Gegenstände im eigenen Namen öffentlich versteigert und an den diese Gegenstände – wie hier im Rahmen von privaten Haushaltsauflösungen – geliefert wurden, ohne dass dafür Umsatzsteuer geschuldet wurde, der Umsatz nicht nach dem Verkaufspreis, sondern nach dem Betrag bemessen, um den der Verkaufspreis den Einkaufspreis für den Gegenstand übersteigt.
  • Fehlende Aufzeichnungen über Einkäufe stehen nach dem Urteil des BFH der Differenzbesteuerung nicht zwingend entgegen, so dass dann zu schätzen sein kann. Ist auf dieser Grundlage die Differenzbesteuerung anzuwenden, kommt es zu einer erheblichen Minderung des Steueranspruchs.

Anmerkung

Das Urteil ist ein weiterer Mosaikstein in der Rechtsprechung des BFH zur Unternehmereigenschaft bei wiederholten Verkäufen über die Internetplattform „Ebay“ (vgl. hierzu z. B. die BFH-Urteile v. 26.4.2012 – V R 2/11 und v. 12.8.2015 – XI R 43/13). Nun ist es nicht wirklich überraschend, dass der BFH den Handel auf der bekannten Internet-Plattform bei einem Umsatz von ca. 380.000 € in fünf Jahren als nachhaltig beurteilt hat [1].

Der eigentliche „Knaller“ der Entscheidung findet sich im 3. Leitsatz. Danach gehören die Aufzeichnungspflichten gem. § 25a Abs. 6 Satz 1 UStG nicht zu den materiellen Voraussetzungen der Differenzbesteuerung mit der Folge, dass ein Verstoß gegen die Aufzeichnungspflichten nicht grundsätzlich zur Versagung der Differenzbesteuerung führt.

Die Differenzbesteuerung gilt unter bestimmten Voraussetzungen für Unternehmer, die gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handeln oder solche Gegenstände im eigenen Namen öffentlich versteigern (Wiederverkäufer). Voraussetzung ist, dass für die Lieferung der Gegenstände an den Wiederverkäufer Umsatzsteuer nicht geschuldet, nach § 19 Abs. 1 UStG nicht erhoben oder ihrerseits die Differenzbesteuerung vorgenommen worden ist. Erwirbt der Wiederverkäufer die Gegenstände z. B. von Nichtunternehmern, etwa auf Haushaltsauflösungen, unterliegt der Verkauf an den Wiederverkäufer nicht der Umsatzsteuer.

Liegen die Voraussetzungen der Differenzbesteuerung vor, wird die Umsatzsteuer nicht nach dem Entgelt, sondern gem. § 25a Abs. 3 UStG nach dem Betrag bemessen, um den der Verkaufspreis den Einkaufspreis für den Gegenstand übersteigt. Ist der Ebay-Verkäufer berechtigt, die Differenzbesteuerung trotz fehlender Aufzeichnungen im Schätzungswege anzuwenden, mindert sich der Steueranspruch ganz erheblich, wenn er (ohne die eigentlich erforderlichen Aufzeichnungen) z. B. nach glaubhaften Erfahrungswerten geltend machen kann, dass er z. B. zum halben Verkaufspreis eingekauft hat. Ohne Differenzbesteuerung entsteht so bei einem Verkaufspreis von 238 € eine Steuer von 38 € (19/119), im Rahmen der Differenzbesteuerung dann aber nur eine Steuer von 19 €.

Anmerkung von Dr. Hans-Hermann Heidner, Richter im V. Senat des BFH, NWB CAAAJ-26051