Das Finanzamt kann gar nicht genug Gewerbetreibende produzieren

Mit Urteil vom 16. Juli 2014 VIII R 41/12 hat der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) entschieden, dass selbständige Ärzte ihren Beruf grundsätzlich auch dann leitend und eigenverantwortlich ausüben und damit freiberuflich und nicht gewerblich tätig werden, wenn sie ärztliche Leistungen von angestellten Ärzten erbringen lassen. Voraussetzung ist allerdings, dass sie die jeweils anstehenden Voruntersuchungen bei den Patienten durchführen, für den Einzelfall die Behandlungsmethode festlegen und sich die Behandlung „problematischer Fälle“ vorbehalten.

Das Finanzamt kann gar nicht genug Gewerbetreibende produzieren

Wie das neue Urteil zeigt, kommt es immer wieder zu Streitfällen, ob eine unternehmerische Tätigkeit als gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit anzusehen ist. Die gewerbliche Tätigkeit unterscheidet sich in den Folgen für den Steuerpflichtigen in folgenden Punkten:

  • Für eine gewerbliche Tätigkeit muss bei der zuständigen Gemeinde eine Gewerbeanmeldung erfolgen; eine pflichtwidrig unterlassene Anmeldung kann Bußgelder auslösen
  • Die Gewerblichkeit eines Unternehmers führt zur Zwangsmitgliedschaft bei der Industrie- und Handelskammer oder einer alternativen Kammer wie z.B. Handwerkskammer und löst damit zusätzliche Kosten aus
  • Eine gewerbliche Tätigkeit unterliegt grundsätzlich der Gewerbesteuerpflicht

Gerade der letzte Punkt gilt für Unternehmer, die den gewerbesteuerlichen Freibetrag in Höhe von 24.500 Euro pro Jahr überschreiten, trotz einer überwiegenden Anrechnung der Gewerbesteuer-Zahllast auf die Einkommensteuerschuld als gewichtiger Grund, im Zweifelsfall dafür zu kämpfen, die Voraussetzungen für die Annahme von selbstständigen Einkünften anstelle von gewerblichen Einkünften zu erfüllen und die Finanzverwaltung hiervon zu überzeugen.

Wer gilt als Freiberufler?

Einfach erscheint dies bei den so genannten Katalogberufen, also den Berufen, die im Gesetz bereits als freiberufliche Berufe aufgezählt werden. Hierzu gehören unter anderem Ärzte, Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater, Architekten. Gemeinsam ist diesen Berufen ein hoher, häufig akademischer Ausbildungsstand und der Umstand, dass diese Berufsgruppen häufig nicht in einer Organisation weisungsgebunden arbeiten, sondern aufgrund eigener – zeitlichen und fachlichen – Vorgaben für Ihre Patienten, Mandanten oder Auftraggeber tätig werden. Neben den so genannten Katalogberufen werden auch andere Berufsgruppen als Freiberufler anerkannt, die den Voraussetzungen, die der Gesetzgeber an die Selbständigkeit knüpft, genügen.

Unsere Kanzlei-Empfehlung

Darlegungspflichtig ist im Zweifel der Steuerpflichtige und so ist es immer wieder strittig und von der Ausgestaltung des jeweiligen Einzelfalles abhängig, ob tatsächlich selbstständige Einkünfte vorliegen oder nicht. Es empfiehlt sich also für Angehörige dieser Berufe, rechtzeitig ihren Steuerberater anzusprechen und in enger Abstimmung mit diesem im Vorfeld abzuklären, welche Voraussetzungen für die Bestimmung der Einkunftsart bestehen und welche Gestaltungsmöglichkeiten sich anbieten, um eine richtige Zuordnung zu beeinflussen. Auch kann der Steuerberater hilfreiche Vorschläge aufzeigen, wie in Zweifelsfällen gegenüber der Finanzverwaltung argumentiert werden müsste, warum selbstständige und keine gewerblichen Einkünfte vorliegen.

Wie das Urteil zeigt, können selbst die so genannten Katalogberufler Probleme mit der Einstufung erhalten, weil die Finanzverwaltung trotz vorgetragener Argumente die Einkünfte dennoch als insgesamt gewerblich einstuft. Dies kann insbesondere dann passieren, wenn der Berufsträger neben seinen freiberuflichen auch noch gewerbliche Tätigkeiten ausübt und aufgrund der gemachten Aufzeichnungen keine Trennung mehr zwischen der freiberuflichen und der gewerblichen Tätigkeit möglich ist. Auch in einem solchen Fall ist es sehr ratsam, zusammen mit einem Steuerberater zu überlegen, welche Tätigkeiten als nicht gewerblich angesehen werden könnten. Eine gesonderte Aufzeichnung der entsprechenden einnahmen und der dazugehörigen Betriebsausgaben oder gar eine Auslagerung dieser Tätigkeiten auf ein weiteres Unternehmen können hier die Lösung darstellen.

Eine weitere Gefahr bei Katalogberuflern besteht in der Voraussetzung, dass das Unternehmen durch den Berufsträger leitend und eigenverantwortlich geführt werden muss. Der Unternehmer muss daher die verantwortliche Person des Unternehmens sein. Sobald andere Berufsträger als Angestellte tätig werden, wird es sich kaum darstellen lassen, dass jeder einzelne Fall – auch wenn nur abschließend – vom Unternehmer persönlich betreut wird. Dies stellt nach neuester Rechtsprechung so lange kein Problem dar, wie der Unternehmer durch entsprechende Maßnahmen sicherstellt, dass der Tätigkeit innerhalb seines Unternehmens seinen Stempel aufgedrückt wird. Der Unternehmer hat durch organisatorische Maßnahmen, durch gezielte Kontrollen und durch eigene Arbeitsleistung sicher zu stellen, dass seine Persönlichkeit der Arbeit des gesamten Unternehmens das Gepräge gibt.

Häufig werden aber Berufsträger beschäftigt und nicht hinreichend überwacht und kontrolliert oder, ein einzelner Berufsträger – unabhängig davon, ob wiederum Berufsträger beschäftigt werden nicht – alleine ein so großes Unternehmen mit anderen Mitarbeitern führt, dass es ihm unmöglich ist, in jedem Einzelfall persönlich und eigenverantwortlich tätig zu werden.

Auch für die Freiberuflichkeit gilt: Der Berufsträger hat sie selbst und ständig auszuüben.

Mit der Freiberuflichkeit  lassen sich bestimmte Unternehmensstrukturen nicht vereinbaren:

  • Großunternehmen mit nur einem oder zu wenigen Berufsträgern an der Spitze.
  • Unternehmen mit diversen Filialen, die sich aufgrund ihrer Vielzahl und Steuerung einer permanenten persönlichen Kontrolle und Überwachung durch den Berufsträger entziehen.
  • Unternehmen, bei denen der Berufsträger zwar offiziell als Unternehmer fungiert, jedoch die Tätigkeit durch andere Personen erledigt läßt. Gemeint sind hier besonders Fälle, in denen ein älterer Berufsträger einer oder mehreren anderen Personen eine freiberufliche Tätigkeit ermöglicht, die diese ohne ihn – mangels eigener Qualifikation – nicht ausüben dürften.

Rückwirkung: Die besondere Gefahr

Die Umdeutung von Unternehmen als zunächst selbstständig geführtes Unternehmen in gewerbliche Unternehmen findet häufig rückwirkend im Rahmen von steuerlichen Außenprüfungen, auch Betriebsprüfungen genannt, statt. Um vor bösen Überraschungen und den damit verbundenen finanziellen Folgen gewappnet sein und gegebenenfalls im Vorfeld die richtigen Schritte zu veranlassen, sollte mit einem in diesen Bereichen erfahrenen Berater ermittelt werden, welche Gestaltungsmöglichkeiten bestehen.

Für Sie gelesen! 

Leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit selbständiger Ärzte bei Beschäftigung angestellter Ärzte

1. Selbständige Ärzte üben ihren Beruf grundsätzlich auch dann leitend und eigenverantwortlich aus, wenn sie ärztliche Leistungen von angestellten Ärzten erbringen lassen.

2. Voraussetzung dafür ist, dass sie aufgrund ihrer Fachkenntnisse durch regelmäßige und eingehende Kontrolle maßgeblich auf die Tätigkeit ihres angestellten Fachpersonals –patientenbezogen– Einfluss nehmen, so dass die Leistung den „Stempel der Persönlichkeit“ des Steuerpflichtigen trägt (Anschluss an BFH-Urteil vom 22. Januar 2004 IV R 51/01, BFHE 205, 151, BStBl II 2004, 509).

3. Führt ein selbständiger Arzt die jeweils anstehenden Voruntersuchungen bei den Patienten durch, legt er für den Einzelfall die Behandlungsmethode fest und behält er sich die Behandlung „problematischer Fälle“ vor, ist die Erbringung der ärztlichen Leistung durch angestellte Ärzte regelmäßig als Ausübung leitender eigenverantwortlicher freiberuflicher Tätigkeit im Rahmen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG anzusehen.

Quelle: BFH-PM Nr. 3 v. 07.01.2015 zu BFH-Urteil v. 16.07.2014 VIII R 41/12

Bild: Team Of Doctors Examining Reports_Fotolia_52420847_S_copyright.jpg

Autor: M. Wittig, Mai 2015