Im Verdacht: Betrug mit manipulierten Kassendaten möglich?
Die Frage, wie der Gesetzgeber dem möglichen Betrug mit manipulierten Kassendaten begegnen könnte, beschäftigt Politik und Fiskus schon lange; nun zeigen die Antwort der Bundesregierung auf eine diesbezüglichen kleine Anfrage und ein Apothekenfall die Brisanz und Aktualität dieses Themas.
Mit Urteil vom 16. Dezember 2014 X R 42/13 hat der X. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) entschieden, dass Einzelhändler nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung verpflichtet sind, im Rahmen der Zumutbarkeit sämtliche Geschäftsvorfälle einschließlich der über die Kasse bar vereinnahmten Umsätze einzeln aufzuzeichnen. Wird dabei eine PC-Kasse verwendet, die detaillierte Informationen zu den einzelnen Barverkäufen aufzeichnet und diese dauerhaft speichert, sind die damit bewirkten Einzelaufzeichnungen auch zumutbar. Die Finanzverwaltung kann dann im Rahmen einer Außenprüfung auf die Kasseneinzeldaten zugreifen.
Tagesumsatz – gemessen mit zweierlei Maß?
Der Streitfall ist über den entschiedenen Einzelfall hinaus insoweit von besonderer Bedeutung, als dass heutzutage die meisten Einzelhändler, Tankstellen, Gastronomiebetriebe, um nur einige Bargeschäftler aufzuzählen, nicht nur einfache, elektronische PC-Kassensysteme, sondern auch spezielle für das jeweilige Unternehmen oder die jeweilige Branche entwickelte PC-gestützte Erlöserfassungssysteme mit integrierter Warenwirtschaftsverwaltung einsetzen. Üblich ist, die Tageseinnahmen über modulare PC-Registrierkassen zu erfassen, dann durch Tagesendsummenbons auszuwerten und als Summe in ein manuell geführtes Kassenbuch einzutragen. Soweit ist dies völlig in Ordnung, wenn der Unternehmer lückenlos seine Grundaufzeichnungen vorlegen und damit das manuell geführte Kassenbuch bestätigen kann oder durch andere Aufzeichnungen, wie hier gefordert, durch die Vorlage der aufgezeichneten Warenverkäufe, die Richtigkeit und Vollständigkeit des Kassenbuches zu belegen.
Die Einzelhändlerin verweigerte anlässlich einer Außenprüfung der Finanzbehörde den Datenzugriff auf ihre Warenverkäufe mit der Begründung, sie sei nicht zu Einzelaufzeichnungen verpflichtet. Anders als das Finanzgericht kam der BFH nun zu dem Ergebnis, dass die Klägerin durchaus zur Aufzeichnung der einzelnen Geschäftsvorfälle verpflichtet war und die Kassendaten der Finanzbehörde in elektronisch verwertbarer Form überlassen musste.
Einzelaufzeichnungen sind zumutbar, wenn sie elektronischer Form (vor-)erfasst werden!
Die Buchführung müsse stets einen zuverlässigen Einblick in den Ablauf aller Geschäfte geben. Dritten müsse es möglich sein, den Ablauf und den Inhalt aller Geschäfte zu überprüfen. Deshalb sei es nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung erforderlich, dass verdichtete Buchungen in Einzelpositionen aufgegliedert werden könnten. Dies gelte auch für Bargeschäfte, sofern Einzelaufzeichnungen dem Steuerpflichtigen zumutbar seien. Er könne zwar frei entscheiden, wie er seine Warenverkäufe erfasse. Entscheide er sich aber für ein Kassensystem, das sämtliche Kassenvorgänge einzeln und detailliert aufzeichne sowie diese speichere, könne er sich nicht auf die Unzumutbarkeit der Aufzeichnungsverpflichtung berufen und müsse seine Aufzeichnungen auch aufbewahren. Die Finanzbehörde habe dann im Rahmen einer Außenprüfung das Recht, die mit Hilfe des Datenverarbeitungssystems (PC-Kasse) erstellten Daten auf einem maschinell verwertbaren Datenträger zur Prüfung anzufordern.
Keine Entwarnung für Unternehmer ohne Buchführungspflicht
In diesem Fall war die Einzelhändlerin zwar buchführungspflichtig und hatte sie besondere Sorgfaltspflichten zu erfüllen, aber im Fall einer Außenprüfung, die sämtliche Unternehmer, unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Größe und Bedeutung treffen kann, hat auch der kleine Schreibwarenladen um die Ecke – so er den ein elektronisches Kassensystem benützt – die Tagesendsummenbons und das Kassensystem, die Software, Updates etc. aufzuheben und zwar in einer Form, die es ihm ermöglichen auch noch nach Jahren, seine manuellen Kassenaufzeichnungen mit Hilfe der aufgehobenen Tagesendsummenbons lesbar und nachvollziehbar den Prüfern des Finanzamtes vorzulegen.
Unsere Kanzlei-Empfehlung
Da wir keinem Unternehmer ernsthaft anraten können, auf elektronische Kassensysteme zu verzichten und sämtliche Aufzeichnungen mit der Hand zu fertigen, empfehlen wir jedem Steuerpflichtigen mit Barzahlungsgeschäften vorher mit uns zu sprechen. Durch einfache Vorkehrungen ist es möglich, die Belegorganisation dahingehend zu optimieren, dass sämtliche Tagesendsummenbons am Ende des Tages auch ordentlich, d.h. über Jahre hinweg les- und wiederfindbar und zusammen mit den Kassenaufzeichnungen abgelegt werden. Vor der Wahl eines neuen Kassensystems sollten Sie unbedingt den Steuerberater aufsuchen und mit ihm zusammen überlegen, ob das Angebot des Kassensystemherstellers wirklich gut und für Sie geeignet ist.
Für Sie gelesen!
Möglichkeit des Zugriffs auf Kassendaten einer Apotheke im Rahmen einer Außenprüfung.
1. Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung verpflichten Einzelhändler wie z.B. Apotheker, im Rahmen der Zumutbarkeit sämtliche Geschäftsvorfälle einschließlich der über die Kasse bar vereinnahmten Umsätze einzeln aufzuzeichnen.
2. Verwendet ein Einzelhändler, der in seinem Betrieb im allgemeinen Waren von geringem Wert an ihm der Person nach nicht bekannte Kunden über den Ladentisch gegen Barzahlung verkauft, eine PC-Kasse, die detaillierte Informationen zu den einzelnen Verkäufen aufzeichnet und eine dauerhafte Speicherung ermöglicht, so sind die damit bewirkten Einzelaufzeichnungen auch zumutbar.
3. Die Finanzverwaltung ist in diesem Fall nach § 147 Abs. 6 AO im Rahmen einer Außenprüfung berechtigt, Zugriff auf die Kasseneinzeldaten zu nehmen.
Quelle: PM-BFH Nr. 27/15 v. 15.04.2015 zu BFH-Urteil v. 16.12.2014 XR 42/13; BT-Druck 18/4660 v. 20.04.2015: Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage zu „Maßnahmen gegen den Betrug mit manipulierten Kassensystemen“.
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Autor: M. Wyrobisch, Mai 2015