Die steuerliche Behandlung von Trinkgeldern aus Sicht des Empfängers

von Monika Wyrobisch | veröffentlicht am 28.03.2023

Die steuerliche Behandlung von Trinkgeldern ist ein Dauerbrenner in jeder Betriebsprüfung. Denn Trinkgeld ist nicht gleich Trinkgeld. In Teil I dieses Beitrages habe ich mich mit der Behandlung von Trinkgeldern aus Sicht des Bewirtenden befasst, während ich in Teil 2 diese nun aus Sicht des Empfängers beleuchte.

Zum Begriff des Trinkgeldes

Grundsatz: Steuerpflichtiger Arbeitslohn

Arbeitnehmer beziehen einkommensteuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Hierzu zählen insbesondere das Gehalt und der Lohn.

Trinkgelder, Bedienungszuschläge und ähnliche Zuwendungen sind nach der Definition des Bundesfinanzhofs ebenfalls Arbeitslohn und somit steuerbar.

Ausnahme: Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 51 EStG

Es bedarf also einer Steuerbefreiung, wenn Trinkgelder steuerfrei (und sozialabgabenfrei) bleiben sollen; diese findet sich in § 3 Nr. 51 EStG.

Nach der Rechtsprechung des BFH ist Trinkgeld eine dem dienstleistenden Arbeitnehmer vom Kunden oder Gast freiwillige und ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie besteht, zusätzliche gewährte Vergütung, die eine gewisse persönliche Beziehung zwischen Arbeitnehmer und einem Dritten voraussetzt.

Vgl. BFH Urteil v. 18.06.2015 – VI R 37/14 BStBl 2016 II S. 751 mit Verweis auf andere Urteile

Voraussetzung für die Steuerfreiheit von Trinkgeldern

  • Sie stellt eine Art honorierende Anerkennung seiner dem Leistenden gegenüber erwiesenen Mühewaltung in Form eines kleineren Geldgeschenkes dar.
  • Trinkgeld ist eine freiwillige und typischerweise persönliche Zuwendung an den Bedachten durch einen Dritten.
  • Sie muss ohne rechtliche Verpflichtung vom Dritten an den leistenden Arbeitnehmer zusätzlich zu dem Betrag gezahlt werden, der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist.

Zum Begriff des Trinkgelds gehört es demnach, dass in einem nicht unbedingt rechtlichen, jedenfalls aber tatsächlichen Sinne Geldfluss und honorierte Leistung korrespondierend einander gegenüberstehen, weil die durch die Zuwendung „belohnte“ Dienstleistung dem Leistenden unmittelbar zugutekommt.

Faktisch steht der Trinkgeldempfänger damit in einer doppelten Leistungsbeziehung und erhält korrespondierend dazu auch doppeltes Entgelt, nämlich das Arbeitsentgelt seitens seines Arbeitgebers und das Trinkgeld seitens des Kunden.

Der Trinkgeldbegriff ist durch den allgemeinen Sprachgebrauch geprägt und erfasst insbesondere die Zuwendungen an Arbeitnehmer, bei denen Trinkgelder traditionell einen flankierenden Bestandteil der Entlohnung darstellen.

Verschiedene Anlässe für die Zahlung von Trinkgeldern (Auswahl)

  • Zu den freiwilligen Trinkgeldern gehören z. B. Trinkgelder im Gaststättengewerbe, an Hotelportiers, Friseurgehilfen, Therapeuten, Kaminkehrer usw. Dazu zählen auch übliche Geldgeschenke an Hausmeister, Müllwerker, Postboten und Zeitungsausträger.
  • Um freiwillige Trinkgelder handelt es sich auch, wenn der Arbeitgeber von ihrer Hingabe nichts weiß oder, wie z. B. häufig in Alten- und Pflegeheimen, ihre Entgegennahme sogar ausdrücklich untersagt ist.
  • Freiwillige Sonderzahlungen an Arbeitnehmer eines konzernverbundenen Unternehmens sind keine steuerfreien Trinkgelder.
  • Freiwillige Zahlungen von Notaren an Notarassessoren für deren Vertretungstätigkeit sind keine steuerfreien Trinkgelder.
  • Aus dem Spielbanktronc finanzierte Zahlungen an die Mitarbeiter einer Spielbank sind hingegen mangels persönlicher Beziehung nach der Rechtsprechung keine steuerfreien Trinkgelder.
  • Freiwillige Zahlungen von Spielbankkunden an die Saalassistenten einer Spielbank für das Servieren von Speisen und Getränken können steuerfreie Trinkgelder sein. Die Steuerfreiheit entfällt nicht dadurch, dass der Arbeitgeber als eine Art Treuhänder bei der Aufbewahrung und Verteilung der Gelder eingeschaltet ist.

Variante 1: „Tipp“-Zahlung als Dankeschön für guten Service (Direktzahlung)

Hier handelt es sich um klassische Trinkgelder, die anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von Dritten freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie besteht, zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist. Diese Trinkgelder sind nach § 3 Nr. 51 EStG steuerfrei und damit auch sozialabgabenfrei.

Der (Service-)Mitarbeiter muss das Trinkgeld direkt und freiwillig vom Gast zusätzlich zum Entgelt für die bezogene Leistung „Speisen und Getränke“ erhalten.

Umsatzsteuer fällt für den Unternehmer keine an, da es sich nicht um ein Entgelt für eine Leistung des Unternehmers handelt.

Variante 2: Das Trinkgeld wird gesammelt und anschließend an alle verteilt (Poolung von Einnahmen)

Bei der Poolung (auch Pooling) von Einnahmen erhält der Arbeitnehmer das Trinkgeld nicht direkt von einem Dritten, also dem Gast oder Kunden, sondern es werden alle Trinkgelder der Arbeitnehmer gesammelt und dann unter allen Arbeitnehmern – auch beispielsweise den Küchenkräften – aufgeteilt.

In solchen Fällen werden die Trinkgelder ebenfalls nach § 3 Nr. 51 EStG als steuerfrei und damit sozialabgabenfrei angesehen, wenn die Trinkgelder einer allgemeinen Trinkgeldkasse zugewendet und anschließend vom Arbeitgeber unter den Arbeitnehmern aufgeteilt werden.

Die Steuerfreiheit entfällt nicht dadurch, dass der Arbeitgeber als eine Art Treuhänder bei der Aufbewahrung und Verteilung der Gelder eingeschaltet ist.

2. Leitsatz aus BFH Urteil v. 18.06.2015 – VI R 37/14 BStBl 2016 II S. 751

Seine Einschaltung ist steuerlich unschädlich. Auch Umsatzsteuer fällt nicht an, da es sich nicht um ein Entgelt für eine Leistung des Unternehmers handelt.

Das gilt allerdings nur, wenn die Arbeitnehmer originär an der gemeinsamen Trinkgeldkasse berechtigt sind.

Bei der Poolung von Einnahmen wird das Trinkgeld den Arbeitnehmern in ihrer Gesamtheit gegeben, so dass sie entweder originär Miteigentum am Inhalt der Trinkgeldkasse erwerben, jedenfalls aber gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Überlassung des Inhalts der Trinkgeldkasse haben.

Richtet sich der Anspruch des Arbeitnehmers auf seinen Anteil am Trinkgeldpool nach arbeitsvertraglichen Regelungen, besteht keine Steuerbefreiung, da es sich in diesem Fall um Gelder des Arbeitgebers handelt, die dieser seinem Arbeitnehmer in Form von steuer- und sozialversicherungspflichtigem Arbeitslohn zuwendet.

Variante 3: Das Geld des Gastes wandert sofort in einen so genannten Trinkgeldtronc

Zahlungen aus dem Spielbanktronc an die Arbeitnehmer der Spielbank sind daher keine steuerfreien Trinkgelder.

Das Troncaufkommen resultiert daraus, dass Spielbankbesucher Trinkgeld in Form von Jetons in die für diesen Zweck aufgestellten Behälter geben.

Der Begriff des Trinkgelds, der auch § 3 Nr. 51 EStG zugrunde liegt, setzt grundsätzlich ein Mindestmaß an persönlicher Beziehung zwischen Trinkgeldgeber und Trinkgeldnehmer voraus.

Wenn der Arbeitgeber selbst Gelder tatsächlich und von Rechts wegen an- und einnehmen, verwalten und buchungstechnisch erfassen muss, sind dies keine dem Arbeitnehmer von Dritten gegebenen Trinkgelder i.S. des § 3 Nr. 51 EStG.

Vgl. BFH Urteil v. 18.12.2008 – VI R 49/06 BStBl 2009 II S. 820

Das Gericht war daher der Auffassung, dass der dem Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber ausbezahlte und vertraglich zugesicherte Anteil am Troncaufkommen nicht als steuerfreies Trinkgeld zu qualifizieren ist.

Es fehle an einer typischen persönlichen und unmittelbaren Leistungsbeziehung zwischen dem Arbeitnehmer des Spielcasinos und dem Dritten. Die Leistung sei ausserdem nicht ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie besteht an den Arbeitnehmer gezahlt worden, weil dies tarifvertraglich so geregelt sei.

Variante 4: Trinkgeld durch Kartenzahlung

Wenn der Gast das für die in Anspruch genommene Dienstleistung geschuldete Entgelt sowie das Trinkgeld durch Kartenzahlung bezahlt, kommt dies der Poolung von Einnahmen sehr nahe.

Nun ist also die Trennung zwischen steuerpflichtigem Leistungsentgelt des Unternehmens einerseits und der steuerfreien Trinkgeldzahlung andererseits zwingend erforderlich.

Den Nachweis muss der Unternehmer erbringen.

Entscheidend dürfte sein, dass die Trennung von (steuerpflichtigem) Leistungsentgelt und (steuerfreiem) Trinkgeld aus der Kreditkartenabrechnung klar zu erkennen ist. Denn nur dann ist das Trinkgeld auch steuerfrei.

Es empfiehlt sich zu prüfen, ob bzw. welches elektronische Abrechnungssysteme einen separaten Ausdruck „Trinkgelder“ auf der Bewirtungsrechnung oder dem Zahlbeleg ermöglicht.

Wenn das elektronische Aufzeichnungssystem diese Möglichkeit nicht bietet, muss auf andere Weise sichergestellt werden, dass eine Dokumentation als Nachweis erfolgt.

Variante 5: Der Unternehmer erhält das Trinkgeld

Wenn der Unternehmer Empfänger des Trinkgeldes ist, fehlt es am entscheidenden Tatbestandsmerkmal: „Arbeitnehmer“. Die Steuerbefreiung des Trinkgeldes nach § 3 Nr. 51 EStG kommt nicht zur Anwendung.

Erhält der Unternehmer das Trinkgeld führen die Trinkgelder beim Unternehmer zu steuerpflichtigen Betriebseinnahmen.

Variante 6: Bedienungszuschläge

Sogenannte Bedienungszuschläge und ähnliche Zuwendungen sind nicht steuerfrei, wenn sie im Nachgang an den Arbeitnehmer weitergereicht werden.

Bedienungszuschläge sind Preisaufschläge, die als Entgelt für die Bedienung dem Gast in Rechnung gestellt werden. Die Zahlungen erfolgen also nicht freiwillig, so dass diese wichtige Voraussetzung für die Steuerbefreiung von Trinkgeldern nach § 3 Nr. 51 EStG nicht erfüllt ist.

Auch Bedienungszuschläge und ähnliche Zuwendungen sind daher als steuerpflichtige Betriebseinnahmen des Unternehmens zu behandeln.

Aufzeichnungserleichterungen für Arbeitgeber

Nach § 4 Abs. 2 Nr. 4 LStDV brauchen Trinkgeldern i. S. des § 3 Nr. 51 EStG vom Arbeitgeber nicht im Lohnkonto aufgezeichnet zu werden. steuerpflichtige Trinkgelder, Bedienungszuschläge und sonstigen Zuwendungen hingegen schon, denn sie stellen regulären Arbeitslohn dar.

Fazit und Empfehlung für die Praxis

Nachdem ich im Teil I des Beitrages „Trinkgelder auf die Behandlung von Trinkgeldern aus Sicht des Bewirtenden eingegangen bin, habe ich nun also die spannende Frage beleuchtet, wie die steuerliche Behandlung von Trinkgeldern aus Sicht des Empfängers erfolgt.

Folgendes bleibt festzuhalten:

  1. Empfehlenswert und der Regelfall: Trinkgeld ist nur bei direkter Zahlung des Gastes an den Arbeitnehmer steuerfrei. Bedienungszuschläge und sonstige Zuwendungen fallen nicht unter steuerbefreite Trinkgeld nach § 3 Nr. 51 EStG.
  2. Als einen möglichen Nachweis zeigt die Finanzverwaltung eine händische Quittierung des bar gezahlten Trinkgelds durch den Empfänger auf der Rechnung auf.
  3. Die Poolung von Trinkgeldern ist ebenfalls nach dem BFH im Regelfall steuerfrei, soweit kein arbeits- oder tarifvertraglicher Anspruch besteht. Wie die Poolung organisiert ist bzw. vorgenommen wird, sollte jedoch dokumentiert werden.
  4. Es ist möglich, Trinkgeld an Arbeitnehmer mit der Karte bezahlen zu lassen. Hier trifft den Arbeitgeber eine besondere Sorgfaltspflicht, denn er muss die Trennung von steuerpflichtigem Leistungsentgelt und steuerfreiem Trinkgeld nachweisen und dokumentieren.
  5. Geling dieser Nachweis nicht, werden die Trinkgelder, Bedienungszuschläge und sonstigen Zuwendungen als steuerpflichtige Betriebseinnahme des Unternehmers und bei Auszahlung an die Arbeitnehmer als steuerpflichtiger und sozialversicherungspflichtiger Arbeitslohn behandelt.
  6. Steuerfrei und damit sozialabgabenfrei zu behandelnde Trinkgelder i. S. des § 3 Nr. 51 EStG brauchen nicht vom Arbeitgeber im Lohnkonto seiner Mitarbeiter aufgezeichnet zu werden; steuerpflichtige Trinkgelder, Bedienungszuschläge und sonstigen Zuwendungen hingegen schon, denn sie stellen regulären Arbeitslohn dar.

Es ist sehr zu empfehlen, den Umgang mit Bewirtungsaufwendungen, aber auch mit Trinkgeldern, Bedienungszuschlägen und sonstigen Zuwendungen nicht nur in einer Buchungsrichtlinie oder Reisekostenlinie zu beschreiben, sondern vor allem in der Verfahrensdokumentation deines Unternehmens und die Überprüfung der Einhaltung zu protokollieren.