Verbilligte Vermietung
Wie wird eine ortsübliche Vergleichsmiete zur Beurteilung einer verbilligten Vermietung ermittelt? – Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 10.10.2018 IX R 30/17 entschieden und wiederholt festgestellt, dass eine ortsübliche Vergleichsmiete zur Feststellung einer nur verbilligten Vermietung nicht durch ein Sachverständigengutachten auf der Grundlage statistischer Annahmen nach der sog. EOP-Methode bestimmt werden darf.
Wann liegt verbilligte Vermietung vor?
Im Urteilsfall erwarb die Klägerin ein Grundstück mit historischem Altbestand, der als Gaststätte genutzt wird. Nach umfangreicher und kostspieliger Sanierung des Gebäudes verpachtete sie das Grundstück zum Betrieb einer Gaststätte u.a. an ihren Ehemann.
Das Finanzamt (FA) nahm auf der Grundlage von Internet-Recherchen eine verbilligte Verpachtung an und kürzte die Werbungskosten entsprechend. Das Finanzgericht (FG) beauftragte daraufhin einen Sachverständigen mit der Ermittlung der ortsüblichen Marktpacht.
Die Beteiligten gingen übereinstimmend davon aus, dass sich aufgrund der Besonderheiten des Objekts keine vergleichbaren Objekte finden lassen, so dass die Marktmiete nicht nach der sog. Vergleichsmethode bestimmt werden kann.
Der Sachverständige ermittelte deshalb im Wesentlichen auf der Grundlage der EOP-Methode einen Vergleichswert, der zur Abweisung der Klage führte.
EOP-Methode ungeeignet für die Bewertung einer ortsüblichen Vergleichsmiete
Mit der EOP-Methode (Abkürzung für: „an der Ertragskraft orientierte Pachtwertfindung“) wird aufgrund statistischer Annahmen die von einem normal qualifizierten Betreiber zu erwirtschaftende Pacht ermittelt.
Diese Methode wird seit einem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 28.04.1999 (Az. XII ZR 150/97) als ungeeignet zur Bewertung einer Gaststättenpacht angesehen. Die sogenannte EOP-Methode orientiert sich an der Ertragskraft des verpachteten Objektes. Sie ist daher nicht geeignet zur Bewertung einer Gaststättenpacht, wie sie für die Bestimmung eines auffälligen Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB erforderlich ist.
Der BGH kritisierte, dass die EOP-Methode die gesetzlich vorgesehene Risikoverteilung zwischen Pächter und Verpächter zu Lasten des Verpächters verschieben könne. Sie biete nämlich dem Pächter die Möglichkeit, sich bei einer groben Fehlkalkulation vom Vertrag zu lösen – unabhängig davon, ob die Pacht marktgerecht sei oder nicht.
Ortsübliche Vergleichsmiete
Die ortsübliche Vergleichsmiete ist ein Maßstab für ein Mieterhöhungsverlangen (§ 558 BGB) und für die Neuvermietungen (§ 5 WiStG). Als Bezugsgröße für den Vergleich sind Mieten heranzuziehen, die in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder im Rahmen bestehender Mietverträge angepasst wurden. Vergleichbar müssen die Wohnungen hinsichtlich Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage einschließlich der energetischen Beschaffenheit und Ausstattung innerhalb der Gemeinde oder vergleichbaren Gemeinden sein.
Ortsübliche Marktmiete
Für die Beurteilung einer verbilligten Vermietung und die Abzugsfähigkeit von Werbungskosten im Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) ist die Höhe der ortsüblichen Marktmiete relevant:
- Beträgt das Entgelt für die Überlassung einer Wohnung zu Wohnzwecken weniger als 66 Prozent der ortsüblichen Marktmiete, so ist die Nutzungsüberlassung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen; die Werbungskosten sind nur insoweit abzugsfähig, als sie auf den entgeltlichen Teil der vermieteten Einheit entfallen.
- Beträgt das Entgelt bei auf Dauer angelegter Wohnungsvermietung hingegen mindestens 66 Prozent der ortsüblichen Miete, gilt die Wohnungsvermietung als entgeltlich. In diesem Fall können die Werbungskosten vollumfänglich zum Abzug gebracht werden.
Dabei ist unter ortsüblicher Miete für Wohnungen vergleichbarer Art, Lage und Ausstattung die ortsübliche Kaltmiete zuzüglich der nach der Betriebskostenverordnung (BetrKV) umlagefähigen Kosten zu verstehen (BFH v. 10.05.2016 – IX R 44/15 BStBl 2016 II S. 835).
Aufteilungsgebot bei teilweiser unentgeltlicher Überlassung
Im Urteilsfall hat der BFH das Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen: Für die verbilligte Überlassung von Gewerbeobjekten gilt als allgemeiner Grundsatz ein Aufteilungsgebot. Die anteilig auf die unentgeltliche Überlassung entfallenden Aufwendungen können nicht abgezogen werden. Ob eine verbilligte Vermietung oder Verpachtung vorliegt, ist im Wesentlichen Tatfrage. Das FG muss die vereinbarte Miete oder Pacht der ortsüblichen Marktmiete oder -pacht gegenüberstellen. Letztere muss es von Amts wegen ermitteln.
Vergleichbarkeit von vereinbarter mit ortsüblicher Miete
Dazu kann das Gericht ein Sachverständigengutachten einholen. Grundsätzlich gibt es keine rechtlichen Vorgaben, nach welcher Methode der Sachverständige vorgehen muss. Eine Grenze ist aber überschritten, wenn der Sachverständige aufgrund der von ihm gewählten Methode letztlich etwas anderes ermittelt als die ortsübliche Marktmiete oder -pacht. Das ist der Fall, wenn er im Wesentlichen darauf abstellt, welche Miete oder Pacht auf der Grundlage statistischer Annahmen nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen vom Mieter oder Pächter im Durchschnitt erwirtschaftet werden kann (sog. EOP-Methode). Mit solchen Erwägungen kann der Markt allenfalls global abgebildet werden. Das Gesetz verlangt aber, auf den örtlichen Markt zu blicken.
Schätzung eines ortskundigen, erfahrenen Sachverständigen oder Maklers erforderlich
Das FG muss nun die ortsübliche Marktpacht noch einmal feststellen. Dafür genügt eine Schätzung unter Mitwirkung eines ortskundigen, erfahrenen Sachverständigen oder Maklers. Die damit verbundene höhere Unsicherheit ist hinzunehmen.
Das Finanzamt trägt die Beweislast
Kann sich das FG auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen nicht die für eine Schätzung erforderliche Überzeugung bilden, geht dies zu Lasten des FA, das die objektive Beweislast zu tragen hat.
Quelle: Pressemitteilung Nr. 6 vom 20. Februar 2019 zum BFH-Urteil vom 10.10.2018, IX R 30/17