Höhere Entlastung für viele Steuerpflichtige
Eine aktuelle BFH-Entscheidung zur geänderten Berechnung der zumutbaren Belastung hat weitreichende Bedeutung, da Steuerpflichtige nun in der Regel früher und in größerem Umfang durch ihnen entstandene außergewöhnliche Belastungen steuerlich entlastet werden. Denn durch die neue Berechnung der zumutbaren Belastung werden hohe Grenzsteuersätze vermieden, die bisher bei geringfügiger Überschreitung der jeweiligen Stufe fällig wurden. Darüber hinaus und vielleicht noch wichtiger ist das Bekenntnis des BFH zur Verfassungsmäßigkeit der Abzugsbegrenzung durch die zumutbare Belastung, mit der das Gericht letztlich nur der Rechtsprechung des BVerfG gefolgt ist.
Hintergrund: Außergewöhnliche Belastungen sind Aufwendungen der privaten Lebensführung, die aufgrund besonderer Umstände zwangsläufig anfallen und mit denen der Steuerpflichtige endgültig belastet bleibt.
Zwangsläufigkeit sind Ausgaben dann, wenn sich der Steuerpflichtige diesen Ausgaben aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Das Finanzamt hilft in diesen Fällen durch eine Minderung der Steuer, wenn die Ausgaben nicht ersetzt werden und die Kosten nicht als Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben berücksichtigt werden können; allerdings wird eine zumutbare eigene Belastung angerechnet. Der BFH hat nun seine Rechtsprechung zur Ermittlung der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG fortentwickelt.
Der Abzug außergewöhnlicher Belastungen ist nach § 33 Abs. 1 und 3 EStG nur möglich, wenn der Steuerpflichtige mit überdurchschnittlich hohen Aufwendungen belastet ist. Die zumutbare Belastung wird in drei Stufen (Stufe 1 bis 15.340 €, Stufe 2 bis 51.130 €, Stufe 3 über 51.130 €) nach einem bestimmten Prozentsatz des Gesamtbetrags der Einkünfte (abhängig von Familienstand und Kinderzahl) bemessen (1 bis 7 %). Der Prozentsatz beträgt z.B. bei zusammenveranlagten Ehegatten mit einem oder zwei Kindern 2 % (Stufe 1), 3 % (Stufe 2) und 4 % (Stufe 3).
Hierzu führen die Richter des BFH nun weiter aus:
- Abweichend von der bisherigen (durch die Rechtsprechung gebilligten) Verwaltungsauffassung, wonach sich die Höhe der zumutbaren Belastung ausschließlich nach dem höheren Prozentsatz richtet, sobald der Gesamtbetrag der Einkünfte eine der in § 33 Abs. 3 Satz 1 EStG genannten Grenzen überschreitet, ist die Regelung nach der neuen BFH-Rechtsprechung so zu verstehen, dass nur der Teil des Gesamtbetrags der Einkünfte, der den im Gesetz genannten Grenzbetrag übersteigt, mit dem jeweils höheren Prozentsatz belastet wird.
- Der Gesamtbetrag der Einkünfte als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der zumutbaren Belastung ist nicht um Beiträge an eine berufsständische Versorgungseinrichtung zu kürzen.
- Insbesondere ist die Anknüpfung der Bemessungsgrundlage an den Gesamtbetrag der Einkünfte verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Beraterhinweis: Wir empfehlen unseren Mandanten immer, Ihre Arzneimittel zusammen mit den (grünen) Rezepten oder einer entsprechenden Verordnung zu sammeln und bis zu dem Beratungsgespräch für die Erstellung der Einkommensteuererklärung in unserer Kanzlei aufzuheben. Wir prüfen dann für Sie, ob die Höhe der selbstgetragenen Aufwendungen für eine Steuerminderung ausreicht und ein entsprechender Ansatz Sinn macht.
Quelle: BFH, Urteil v. 19.01.2017 – VI R 75/14 ; veröffentlicht am 29.03.2017, NWB-Online v. 29.03.2017